Das Wilderer-Kochbuch mit Durchschuss

Wir widmen dieses Buch jenen kühnen Sennerinnen und verwegenen Burschen, zu ihnen zählen Kleinbauern, deren Söhne, Knechte, Holzknechte und einfache Arbeiter. Sie hatten durch die Jahrhunderte gegen die vornehme Jagdherren zu kämpfen, sie trugen dazu bei, dass der Speisezettel der Bauern bisweilen um einen guten Braten bereichert wurde.

Kochen und Kochrezepte – Einblicke in Kulturen

Mit den Worten Kochen, Köchin und Koch ist eine noble Kultur verbunden, die in die Antike zurück reicht. Kochen hat mit Leib und Seele zu tun, mit leiblichem und seelischem Wohlbefinden. Und Kochen deutet auf eine bunte Sinnlichkeit hin.

Die Bezeichnung „Koch“ leitet sich vom lateinischen Wort „coquus“ ab. „Coquere“ heißt lateinisch demnach kochen. Aus Coquere wird im Althochdeutschen „kochon“ und im Mittelhochdeutschen schlussendlich „kochen“.

Bei den alten Germanen fehlte ein Wort für „kochen“. Koch und Kochen sind also Lehnwörter aus dem Lateinischen. Der Ausdruck „Koch“ wurde spätestens im 4. Jahrhundert etwa gleichzeitig mit Kohl, Kümmel, Küche, Minze und Pfeffer aus dem Lateinisch entlehnt. Und Küche kommt vom lateinischen Wort „coquina“, im Vulgärlateinischen sprach man von „cocina“. Daraus entwickelt sich das englische „Kitchen“ und das deutsche „Küche“, aus der schließlich bei uns die „Kuchl“ wird.

 

Wenn die Bäuerin ihre Küche betritt, so ist sie sich wahrscheinlich nicht bewusst, dass dieses selbstverständliche Wort „Küche“ eine lange Sprachgeschichte hat, die über die Alpen reicht und vielleicht durch einen fahrenden Koch oder eine fahrende Kochkünstlerin aus dem Römischen Weltreich hier her in die Berge gebracht worden ist.

Schließlich hat das Wort Küche zumindest eine doppelte Bedeutung, denn es verweist nicht nur auf den Ort, in dem gekocht wird, sondern es verweist auch auf einen bestimmten Kochstil, wie die „böhmische“ oder eben die „bäuerliche Küche“, mir der wir uns hier vorrangig beschäftigen. Die „bäuerliche Küche“, wie alle anderen „Küchen“ auch, ist nichts einheitliches, sondern sie hat Geschichte, und zwar eine alte, die auf die Römer, auf die Germanen und sogar über den Ozean reicht, wie wir sehen werden. Der Kümmel erinnert an römische Gartenkultur, der Safran an eine arabische und unser Erdäpfel an die Äcker der Inkas in den Anden.

 

Jedenfalls hat Kochen, bereits bei den Römern, etwas mit Kochkunst zu tun.

Und Kochkünstlerinnen ihrer Art waren die Bäuerinnen und Sennerinnen. An sie sei in Hochachtung hier gedacht. Kochen konnten aber auch die Holzknechte, sogar oft ganz gut, wie ich seit meiner Jugend weiß, als ich ihren „Mehlschmarrn“ oder ihre Holzknechtsnocken aß.

Zum Abschluss und zur Kostprobe ein paar Rezepte aus unserem Wildererkochbuch:

Degelseggers Wildschützen-Hirschgulasch

Dieses Rezept ist meinem Freund Erwin Degelsegger gewidmet, einem kühnen  Herrn, der als junger Bursch in den fünfziger Jahren als Holzknecht und auch als Wildschütz im Gebiet der Wurzeralm bei Spital am Pyhrn unterwegs war.

 

Als  Holzknecht brachte er mit seinem Ross die schweren Holzbloch von hoch oben zu Tal. Dies war eine schwere Arbeit. Ein Zeit war er auch als Träger für das Linzerhaus auf der Wurzeralm tätig. Als solcher hatte er, es gab damals noch keine Seilbahn, Lebensmittel und auch Bier vom Ort zum Linzerhaus zu tragen. Er war ein ungemein kräftiger Bursche.  Während des Sommers führte er mit seinem Ross Jagdherrn für die VOEST, die „Vereinigten Österreichischen Stahlwerke“, denen damals die Jagd um die Wurzeralm gehörte, dorthin. Der Jagdherr saß auf dem Ross, Erwin ging zu Fuß hinterher, darauf achtend, dass das Ross auch ordentlich ging. Einmal brachte er auf diese Weise sogar einen indischen Gesandten auf die Alm. Für die Herren der VOEST dürften solche Einladungen ausländischer Politiker und Wirtschaftsleute zur Jagd wohl wichtig für Geschäftsabschlüsse gewesen sein.

 

Eva Bodingbauer sprach mit Erwin über eines seiner Erlebnisse als  Wilderer. Sie zeichnete dieses Gespräch mit Video auf, es ist im Wilderermuseum zu sehen. Erwin erzählte, er sei wieder einmal auf der Wurzeralm Holz führen gewesen. Er spannte  sein Ross beim Linzerhaus aus und stellte es in den dortigen sehr geräumigen Schistall. Dann ging er in die Küche des Linzerhauses, um zu jausnen. Er setzte sich zum Jäger, der auch hier seine Jause einnahm. Erwin hatte eine Flasche mit Schnaps bei sich. Mit dem Schnaps kühlte er, wie er sich ausdrückte, seinen Tee etwas ab. Zu diesem Schnaps-Tee aß er ein Stück Geselchtes und unterhielt sich mit dem Jäger. Er bot dem Jäger seinen Schnaps an, dieser zog einige Male kräftig an der Flasche, der Art, dass er bald stockbetrunken war. Er war nicht mehr imstande, selbst hinauf zur Wurzeralm, wo er sein Quartier hatte, zu gehen. So machte sich Erwin erbötig, ihn die paar hundert Meter dorthin zu schleppen. Während er ihn so an sich gedrückt führte, spürte er in der Außentasche der Jacke des Jägers zwei Patronen. Die nahm er an sich. Nachdem Erwin den Jäger auf sein Bett in der Hütte gelegt hatte, holte er das Gewehr des Jägers, das er in der Vorhütte hängen sah und marschierte mit diesem in Richtung Wurzerkampl. Es war gegen Abend an einem der ersten Novembertage, zur Zeit der Gamsbrunft. Es lag schon etwas Schnee. Erwin dachte sich, wenn eine Gams kommt, ist es gut, wenn keine, ist es auch gut. Da staubte eine Gams über einen Lawinengang und sprang in die Latschen, wo sie „ein Haberl machte“, das heißt: stehen blieb. 

Erwin konnte die Gams nur schwer durch die Latschen sehen, daher wartete er eine Zeit.  Bald stieg die Gams auf und es krachte. Erwin hatte gut getroffen. Er nahm die Gams und marschierte ein Stück zu Tal, hing die Gams mit ihren Krucken auf einen Zweig einer versteckten Fichte und weidete sie aus. Dann wanderte Erwin zurück zur Wurzeralmhütte, hing die Büchse des Jägers dorthin, wo sie war, und ging hinunter zum Linzerhaus, um noch etwas zu essen. Ein paar Tage später holte er sich die Gams und brachte sie in sein Bauernhaus in Spital am Pyhrn. Seine Mutter bereitete aus der Gams schließlich einen prachtvollen Gamsbraten.

 

Nicht nur Gämse hat Erwin als ehrenwerter Wildschütz erlegt, sondern auch Hirsche. Als er einmal auf einer Hirschjagd war, es lag schon Schnee, entging er nur knapp den Jägern. Diese hatten die Spur seiner Schuhe im Schnee entdeckt. Da Erwin Schuhnummer 47 hat, fiel der Verdacht der Jäger auf Erwin, doch direkt  konnten sie ihm, der alles leugnete, nicht nachweisen, dass er da gewildert hat.

 

Ich sitze oft bei Erwin und seiner lieben Frau Erna in deren freundlichem Haus, von dem man aus auf die Kette des Toten Gebirges sehen kann, wenn ich mit dem Fahrrad in Oberweng unterwegs bin. Erwin erzählt mir beim Tee, in den ich keinen Schnaps schütte, gerne aus jener Zeit, in der er als Holzknecht und Wildschütz vor beinahe fünfzig Jahren im Gebiet der Wurzeralm umher zog. Er und Erna wissen viel über die alte Kultur der Bergbauern, über die ich geschrieben habe und die heute verschwunden ist. Viel von dem, was sie mir erzählt haben, habe ich bereits niedergeschrieben.

 

In Erinnerung an diese vergangene Zeit hat Erwins Tochter Gabi auf seine Bitte hin für uns dieses Rezept für ein Hirschgulasch, dem wir den Namen Degelsegger hinzufügen, verfasst:

Degelseggers Hirschgulasch 

 

700 g Hirschschulter

100 g Speck

3Zwiebeln

Öl , Salz , Pfeffer, Majoran, Thymian

2 Esslöffel Paprika  - edelsüß

eine halbe Zitrone

ein halber Liter Weißwein

2 Esslöffel Mehl zum Stauben

 

¼ l Sauerrahm

Suppe oder Wasser

 

Die Hirschschulter in grobe Stücke und den Speck in kleine Würfel schneiden. Dies mit Öl in einer Rein glasig rösten. Klein geschnittenen Zwiebel dazu geben und hellbraun anrösten. Dann wird Paprika, geriebene Zitronenschale und Zitronensaft dazu gegeben. Nun kommt Weißwein zum Ablöschen hinzu. 

Das Ganze wird nun zugedeckt langsam weich gedünstet. Wenn die Flüssigkeit fast verdunstet ist, mit Mehl stauben, mit Suppe oder Wasser aufgießen und fertig dünsten. Dann mit Sauerrahm verfeinern.

 

Als Beilage empfehlen sich Semmelknödel oder Nockerl.

Pius Walder - Menü

  • Rehragout mit Semmelknödel
  • Blutströpferl (Vogelbeeren in Rotwein)
  • Hexenschaum Edith

 

Rehragout

 

¾ kg Rehfleisch ohne Knochen

2 Zwiebeln

1 Knoblauchzehe

3 Eßl  Öl

1 Bund Wurzelwerk

1/8 l Rotwein

1 Teel. getrocknete Habichtspilze

1 Teel. Quendel

2 Lorbeerblätter

4 Wacholderbeeren

3 Pimentkörner

Salz

Pfeffer

heißes Wasser

 

Rehfleisch in etwa 2cm große Würfel schneiden, salzen und pfeffern.  Zwiebeln, Knoblauch und Wurzelwerk klein schneiden. Öl  in einem breiten Topf erhitzen, die Fleischwürfel  rundherum anbraten, aus dem Topf nehmen und warm stellen. Im Fett Zwiebeln, Knoblauch und Wurzelwerk anrösten und mit dem Rotwein ablöschen,  das Fleisch wieder in den Topf geben, würzen. Mit heißem Wasser aufgießen, dass das Fleisch gerade kaum bedeckt ist  und zugedeckt schmoren lassen, bis das Fleisch weich ist.

Mit Semmelknödeln und Vogelbeeren anrichten.

 

Semmelknödel können aus derselben Masse wie für Bärlauchnocken gemacht werden, den Bärlauch muss man allerdings weglassen. Knödel formen und diese in Salzwasser kochen.

Blutströpferl (Vogelbeeren in Rotwein)

 

20 dag Vogelbeeren

10 dag Zucker

1/8 l  Rotwein

 

Die reifen Beeren von den Stielen zupfen und in einem Sieb waschen.

Rotwein und Zucker aufkochen bis sich der Zucker aufgelöst hat, dann die Beeren hineinschütten und weitere

4 min  zugedeckt  kochen. Die Beeren  mit einem Sieblöffel herausschöpfen und in Gläser füllen. Den  Saft bei offenem Deckel noch weiterkochen bis etwa ¼ davon verdampft ist. Den heißen Saft über die Beeren gießen und die Gläser mit einem Schraubverschluß  zumachen.

 

Tipp:

Vogelbeeren oder Ebereschen werden wegen ihres bitteren Geschmackes kaum verwendet. Leider ist zu wenig   bekannt, dass es Sorten wie zum Beispiel „Rosina“ oder „Konzentra“ mit wenig Bitterstoffen gibt. 

Hexenschaum Edith

 

4 Äpfel

2 Eiklar

2 Eßl. Ribiselmarmelade

Salz

1Eßl. Feinkristallucker

 

Vier Äpfel braten und passieren . Die Eiklar mit eine kleinen Prise Salz  schlagen, den Zucker einrieseln lassen, weiterschlagen bis der Schnee steif ist. Die passierten Äpfel mit der Ribiselmarmelade mischen und unter die Schneemasse heben. Auf  Schalen verteilen, mit einem Tupfen Marmelade verziert servieren.

Der geneigten Leserin und dem geneigten Leser wünsche ich einen guten Appetit.

Zu den im Wilderer-Kochbuch aufgezeigten Speisen passt gut ein Stamperl Zirbenschnaps, den man im Wilderermuseum günstig erwerben kann.