12. Hirtenbrief: Die Welt des Praters – Fahrgeschäfte und Schweizerhaus

Die bunte Welt des Praters und seine Geschichte

Mit dem Prater sind eine spannende Geschichte und ein mitunter aufregendes Leben

verbunden. Wie schon berichtet, habe ich mit ein paar netten Damen und Herren, die

zu meiner Vorlesung angemeldet waren, einen spannenden Nachmittag im Prater

verbracht. Dafür sei ihnen gedankt.

 

Auch im Prater gibt es Randkulturen mit Tricks des Überlebens mit Symbolen und

Ritualen, zu denen Formen der Höflichkeit und der Ehre gehören..

Ich möchte hier Ihnen einen kleinen Einblick in das Praterleben geben – in meinem

Buch „Streifzüge durch den Wiener Wurstelprater“ (BöhlauVerlag 2016) gehe ich

näher auf die einzelnen Schaugeschäfte u.ä. ein. Wer will, kann in diesem Buch

nachlesen.

 

Der Prater ist in den letzten Jahrzehnten moderner geworden, aber er hat seinen

alten Zauber nicht verloren. Die Attraktionen wurden immer aufregender. Einige alte

Einrichtungen sind leider verschwunden. Dazu gehört der berühmte Watschenmann,

auf dessen breites ledernes Gesicht man gegen einen kleinen Geldbetrag eine

kräftige Ohrfeige landen konnte, wobei die Kraft des Hiebes angezeigt wurde. Meine

Mutter, eine tüchtige Ärztin liebte diesen Watschenmann,. Ihr machte es in jungen

Jahren Freude, ihm eine tüchtige Ohrfeige zu verabreichen.

 

 

Zur Geschichte des Praters

Im Wort „Prater“ steckt das lateinische Wort „pratum“, das soviel wie „Wiese“ heißt.

Dem gewöhnlichen Volk war das Betreten des Praters in früheren Zeiten jedoch

verboten, denn der Kaiser und der hohe Adel wollten hier vor allem bei der Jagd

ungestört sein. Erst der menschenfreundliche Kaiser Josef II. öffnete 1766 den

Prater allen Wienern. Am Rande des Praters errichteten Kaffeesieder und Wirte

ihre Lokale. Belustigungen lockten die Wiener an und Kinder erfreuten sich an den

Puppenspielen, deren Hauptfigur der lustige Hanswurst war. Von daher stammt für

diesen Teil des Praters die Bezeichnung „Wurstelprater“. 1897 gelang es dem

Engländer Basset, das weltberühmte Riesenrad aufzustellen. Die Geschichte

des Riesenrades und über die Schaustellerfamilien des Praters spreche ich mit

meinem Freund Franz Josef Mayr, den ich hier treffe.. Ein paar Familien gibt es hier

schon lange, wie die Familien Schaaf, Kern – ein Vorfahre dieser Familie ist der

berühmte um 1800 geborene Basilio Calafati - und Reinprecht. Wir kommen an der

„Wiener Rutschn“ vorbei. Hier erzählt mir Franz Josef voll Bewunderung von der

Schaustellerin Liselotte Lang, sie ist eine geborene Schaaf. Seit ihrem 8. Lebensjahr

erfreut sie hier mit großer Liebe ohne Unterbrechung Kinder und Erwachsene. Wir

gelangen zum „1. Wiener Ponny-Caroussel“. Hier treffen wir dessen Chefin Frau

Maria Reinprecht, eine liebenswürdige Dame. Sie erzählt uns, dass sie 1945 bei der

Bombardierung des Praters bei den Pferden geblieben sei. Ein Ponny habe sie

eigenhändig aus dem Bombenschutt ausgegraben. Die Dame verdient unseren

Respekt. Wir schlendern zu einer typischen Prater-Schießbude. Ich schieße fünf

Plastikrosen, drei werde ich meiner werten Frau Gemahlin bringen. Nun setzen wir

uns in den Gastgarten des „Schweizerhauses“. Hier geht es hoch her. Gutes Bier

wird ausgeschenkt. Der Name „Schweizerhaus“ leitet sich von der „Schweizer Hütte“

ab, die es an dieser Stelle schon vor 1766 gegeben hat. Diese hatte ihren Namen

von den Schweizer Jagdtreibern, die hier ihre kaiserlichen Herrschaften bewirteten.

1920 übernahm der legendäre Karl Kolarik das „Schweizerhaus.“ 1926 reiste er

nach Böhmen, wo er Gefallen am Budweiser Bier fand. Er kaufte eine ganze

Waggonladung dieses Bieres und brachte sie nach Wien. Ich hatte die Ehre, vor

Jahren von ihm einmal zu einem Budweiser Bier eingeladen zu werden. Die

Wirtstochter Frau Lydia Kolarik, die bei mir an der Universität einmal

Vorlesungen besucht hat, begrüßt uns freundlich. Ich überreiche ihr eine der

Schießbudenrosen. Sie freut sich darüber und setzt sich zu uns. Sie erzählt von

ihrem 1993 verstorbenen Vater, der es verstanden hat, die Gäste mit Bier, Stelzen

und Kartoffelpuffern zu erfreuen. Ihre Mutter, eine feine alte Dame, saß in der

Küche und überblickt von hier aus das Geschehen. Es ist ein schöner Abend, wir

trinken unter Kastanienbäumen schäumendes Bier und sprechen vom unsterblichen

Prater.

 

Fahrgeschäfte und Schausteller

Das Schweizerhaus und die Gastfreundschaft