Im Juli 1968 war ich im Gebiet der Wurzeralm am Fuße des Warschenecks unterwegs, um nach Überresten mittelalterlicher Eisenverhüttung unweit des Eisernen Bergls zu suchen, begleitet wurde ich dabei von meiner Schwester Erika.
Im Stile eines vagabundierenden Kulturwissenschafters schrieb ich über diese Wanderung und meine Funde eine Geschichte mit Bildern in einem sehr lockeren und großzügigen Stil. Dazu kommt noch eine fast unleserliche Schrift. Ich zeigte Herrn Professor Pittioni vom Institut für Urgeschichte an der Universität Wien, der an der mittelalterlichen und urgeschichtlichen Eisenverhüttung in den Alpen interessiert war und der mich auch inspiriert hat, diese kleine Schrift, die ich hier wiedergebe, zu verfassen. Professor Pittioni war über diese Art, einen Fundbericht abzuliefern, wenig erfreut, eigentlich war er entsetzt,
Ich verfasste daher einen Fundbericht, wie er ihn sich vorstellte und wie er allgemein üblich ist, nämlich einen in kargen Worten. Dies gefiel dem Herrn Professor. Dieser kurz gehaltene Fundbericht erschien darauf im Band 9 der Zeitschrift "Fundberichte aus Österreich", Wien 1969, herausgegeben vom Bundesdenkmalamt - Schriftleitung: Horst Adler.
Ich gebe zunächst den Fundbericht wieder, wie er im Sinne des Professors war, und dann meine Fundgeschichte:
Wanderung zum Eisernen Bergl (handschriftl. Text von 1968)
Hier ist meine Fundgeschichte vom 30.7. 1968, die sich wesentlich von dem kargen obigen Fundbericht unterscheidet. Bei dieser Fundgeschichte, die vielleicht etwas schlampig und schwer lesbar ist, handelt es sich um eine Erzählung über die keineswegs langweilige Auffindung der betreffenden Gegenstände. Auch meine Beziehung zu den Bergen schwingt hier mit. Daran schließt sich der von mir abgeschriebene und leicht lesbare Text (vielleicht ist es für die geneigte Leserin oder den geneigten Leser günstiger, wenn sie zuerst den nachfolgenden leicht lesbaren Text lesen):
Diese mit der Hand geschriebene Forschungsgeschichte habe ich im Juli 2017, also nach vielen Jahren, auf meinem Computer abgeschrieben. Hier ist das Ergebnis:
Es war der 30.7.1968 als wir, meine Schwester Erika und ich, durch ein für Bergsteiger angenehmes Wetter, es war weder zu warm noch zu kalt, verlockt, in die Berge um die Wurzeralm stiegen. Meine Schwester tat dies, um sich zu erholen, und ich mit dem Willen, etwaigen urgeschichtlichen Erzabbau und Verhüttung zu erkunden.
Wir marschierten nun, ich mit einem Photoapparat, Handspaten und nötigen Forscherstreben los. Von der Wurzeralm führte uns ein schöner Bergpfad zum Fuße des Warschenecks, es ging durch eine romantisch wilde Berglandschaft, deren Reiz durch im Verwelken begriffenen Almenrausch erhöht wurde. Wir kamen an der Burgstallalm vorbei, einen schönen, durch Bäume umgebenen Fleck. Zwei alte verfallene Almhütten, sie wurden in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts von ihren Bewohnern, die der damals plötzlich einsetzende Wassermangel dazu zwang, verlassen. In einiger Entfernung konnten wir das "Eiserne Bergl" sehen. Einem Pfeiler gleich ragt es in den Himmel. Seine eigentümlich gegliederte und schroff abfallende Ostwand gefiel mir schon als Bub. Diesem "Bergerl" strebten wir entgegen, ich gepackt von dem Willen, etwas zu finden, das auf den Abbau von Erz hindeuten könnte. Doch ich wurde enttäuscht. Ich konnte weder Anzeichen eines Abbaues noch eine Verhüttung erkennen.
In dem großen Latschenfeld, das den Fuß des Bergls umzieht, könnten allerdings Dinge verborgen sein, die auf einen Abbau von Erz hinweisen. Doch um diese zu finden, muss der Zufall als Weggenosse gebeten sein. Ich kletterte in die Wand und fotografierte so gut es ging. In der Hoffnung, dass der Apparat mehr sieht als ich.
Nach ausgiebiger Mittagsrast, die Sonne brannte angenehm vom Himmel, wanderten wir beide wieder zur Wurzeralm zurück. Wir gelangten zur Burgstallalm. In den morschen Balken der ehemaligen Burgstallalmhütte fand ich ein schönes und nobles Türschloss samt einer stierkopfähnlichen Schlüssellochzier.
Gegen 15 Uhr näherten wir uns dem Linzerhaus, dessen Wirtin (Rosemarie Fasching) ich bestens kenne.
Nach konventionellem Austausch von Fragen und Antworten erzählte ich ihr von meinem Wunsche, "etwas Urgeschichtliches" zu finden. Die Wirtin dacht etwas nach und zeigte mir einen dunklen porösen Stein, der vor dem Linzerhaus lag, und erzählte mir, ihr kleiner Bub hätte ihn von der Trasse eines kleinen neuen Wirtschaftsweges, der zum Brunnsteiner See führt, geholt. Ich besah den Stein und konnte ihn als Eisenschlacke erkennen.
Gleich machte ich mich zu der genau erklärten Stelle auf. Hier konnte ich feststellen, dass durch den Wegbau eine halbkreisförmige Trasse mit einem Durchmesser von ca. 10 - 12 Meter angeschnitten wurde und Schlacke zu Tage trat. Jetzt konnte der Handspaten, der auf sein Tätigwerden wartete, verwendet werden. Ich putzte provisorisch ein Profil, das sich mir so zeigte:
"An den Almboden schließt sich eine stark mit Holzkohle durchsetzte Humusschicht an. In einer Tiefe von 20 - 30 cm fanden sich Schlackestück mit einer Länge von ca. 30 cm und einer fast ebensolchen Breite, Ab ca. 40 cm Tiefe findet sich dunkler Ton"
(so mein Protokoll vom 30.7.1968, 16 Uhr).
(Nun folgt meine Zeichnung, auf der dunkle Erde, Steine, Holzstücke und Schlacke und unterhalb von diesem grau-blauer Ton zu sehen sind). Ergänzen muss ich mein obiges Protokoll: In einer Tiefe von ungefähr 35 cm fanden sich 3 hornförmige, offensichtlich künstlich hergestellte Hölzer, deren Deutung mir nicht möglich war. Ich konnte aber auch feststellen, dass Schlackenstücke durch den Wegbau verstreut wurden, so fand ich mehrere "Trümmer" jenseits des Wegs (siehe die Bilder). In einer Entfernung von ca. 50 m fand ich eine ähnlich halbkreisförmige Terrasse. Ein Spatenstich bot mir einen ähnlichen Aufschluss wie der der oben geschilderten Terrasse - Schlacke und Holzkohle.
Schilehrer Edi Hengl, der auf der Wurzeralm die Schischule besaß und für meine Tätigkeit Interesse zeigte, erzählte mir, dass er bei der Aushebung einer Grube bei seiner Schihütte Scherben fand. Ich bat ihn, sie mir zu zeigen. Eine, die mir als besonders interessant erschien, ist mit einer Töpfermarke (in Form eines Kreises mit dicken Speichen). (Die Aufnahme, die ich von dieser Scherbe machte, ist "nichts" geworden). Auch dieser Scherbe dürfte aus dem Mittelalter stammen.
Ich hoffe, mit meiner "forscherischen" Tätigkeit in meinen Heimatbergen einen bescheidenen Anfang zur prähistorischen Besiedlungskunde dieser Gegend gemacht zu haben.
Ich werde hier weiter machen.
Roland Girtler "
Diese Gegenstände habe ich aufgefunden: Eisenschlacke und zwei Holzhörner - wahrscheinlich gehörten letztere zu dem für die Eisenverhüttung wichtigen Rennofen.
Der Autor (rechts unten im Bild) auf der Suche nach Überresten der mittelalterlichen Eisenverhüttung auf der Wurzeralm am Weg zum Brunnsteinersee unweit des Eisernen Bergls.
Die Überreste der mittelalterlichen Eisenverhüttung auf der Wurzeralm passen gut zu den nahen Felsbildern in der Höll, die meines bescheidenen Erachtens nach hauptsächlich aus dem Mittelalter stammen. Hier dürften Köhler sich aufgehalten haben, die, um sich die Zeit zu vertreiben, auf den Felsen diverse Zeichen angebracht haben. Kohle ist wichtig für die Eisenverhüttung. Es deutet einiges darauf hin, dass das Erz zur Verhüttung vom Eisernen Bergerl stammt, das nicht ohne Grund diesen Namen trägt.
Die Wurzeralm und die schon verfallene Burgstallalm gehörten einem alten Almgebiet an, das es wohl schon im Mittelalter gegeben hat. Aus Berichten aus dem 19. Jahrhundert wissen wir, dass es hier hoch her gegangen ist. Sennerinnen, Köhler und Wildschützern dürften sich hier die Hände gegeben haben. Eine schöne Schilderung des Gebietes um das Warscheneck gibt G. Hauenschild in seinem Aufsatz "Erinnerungen an das Warscheneck“, das im Alpenvereinsjahrbuch von 1866 erschienen ist. Aus diesem Buch, das ich vor Jahren bei einem Wiener Trödler erworben habe, zitiere ich in meinem Buch "Aschenlauge" einige Zeilen von Hauenschild. Ich fragte in den 1980er Jahren viele Windischgarstner, ob sie Haunschild kennen. Keiner kannte ihn in, obwohl er Windischgarstner war. Jedenfalls rechne ich es mir zur Ehre an, Hauenschild in Windischgarsten und Spital am Pyhrn neuerdings bekannt gemacht zu haben. Heute gibt es ein Denkmal in Windischgarsten, das an ihn erinnert. Er hat es sich verdient.
Dieses hier abgebildete schöne und noble Türschloss, das aus dem 18. Jh. stammen dürfte, fand ich, wie oben erzählt, im Beisein meiner Schwester Erika unter morschen Bäumen in der verfallenen Burgstallalm. Interessant ist die Schlüssellochverzierung in Form eines Rinderkopfes. Sie verweist auf die bäuerliche Kultur im Gebirge, zu der wesentlich die Kühe gehörten. Und für diese schuf man die Almen, auf denen sich auch die Sennerinnen, nicht nur die Kühe, wohlfühlten.
Dieses schöne Türschloss zeugt von der Wohlhabenheit der Bauern, die auf die
Burgstallalmen ihre Kühe auftrieben. Es gab auf dem Burgstall nicht bloß eine Alm, sondern mehrere, auf denen reges Leben herrschte. Mir erzählte Regner Koberl, über dessen spannendes Leben ich auch ein Buch geschrieben habe, dass in den dreißiger Jahren Schifahrer auf ihren Schitouren auf einer Burgstallalm genächtigt haben.
Hauenschild schreibt in seinem Aufsatz ebenso von den Burgstallalmen, die offensichtlich im 19. Jahrhundert noch in voller Blüte standen. Der Wassermangel war es schließlich, wie mir erzählt wurde, der die Bauern veranlasste, die Burgstallalmen aufzugeben und sie verfallen zu lassen.
Interessant ist, dass Hauenschild festhält, dass der Burgstall mit seinen Almen auch Heidnisch- Burgstall genannt wurde (damals um 1860). Auf was sich das Wort "Heidnisch" bezieht, konnte ich nicht in Erfahrungen bringen. Vielleicht geht er zurück auf die Zeit, als hier noch Slawen siedelten - vor der bairischen Landnahme im 8. und 9. Jahrhundert.
Dieses noble Türschloss, das dereinst an einer Almhütte prangte, hat jetzt einen würdigen Platz an einer Wand in unserer Wohnung, Dieses schöne Stück, das an eine alte Almkultur erinnert und nun unsere Behausung ziert, können nette Leute bei uns besichtigen.
Es war mir Ehre und Freude!
Dank gebührt meiner lieben Schwester Erika, die mit mir im Juli 1968 über Stock und Stein auf der Wurzeralm und am Fuße des Eisenen Bergls ging.
Wünsche den Lesern schöne Tage auf der Wurzeralm. Vielleicht treffen wir uns in Spital am Pyhrn oder sonst wo.
Roland Girtler