Die teilnehmende Beobachtung – das Protokoll & Schwindel mit Protokollen

Die teilnehmende Beobachtung - das Protokoll

 Wie ich meinem im vorigen Kapitel dargelegten „Forschungsplan“ , sowie in meinem Methodenbuch aufzuzeigen versucht habe, kommt es bei der teilnehmenden Beobachtung darauf an, das Geschehen, das ich untersuchen will, möglichst genau zu beschreiben. Die Hauptaugenmerke sind dabei zu richten ganz allgemein auf:

 

  • die Situation, in der gehandelt wird (z.B. Fußballspielplatz mit Lautsprecherdurchsagen, Wirbel am Spielfeld usw., oder z.B. die Einrichtung eines Amtszimmers, Sitzplätze usw.
  • die handelnden Personen , die auf die Situation einwirken (Schiedsrichter, Fans usw., oder: Polizist, Radfahrer)
  • Die Symbole der handelnden Personen (wie Uniform, Kleidung, Haartracht usw.) usw.
  • Die Normen, die für die betreffenden Situationen typisch sind
  • Personen, gegen die sich Sanktionen richten (Normbrecher, wie Schreier, Betrunkene usw.)
  • welche Arten von Sanktionen werden bei Normbruch gesetzt (Beschimpfungen, Bestrafungen usw.).
  • wie schauen die Konflikte genau aus, in denen gehandelt wird, usw.

 

Die Beobachtungen sollten einigermaßen genau beschrieben werden. Um mir zu merken, wie die betreffenden Handlungen aussahen, schreibe ich mir in unbeachteten Augenblicken Stichwörter auf. Auf Grund derer versuche ich dann zu Hause die Situationen zu beschreiben bzw. zu rekonstruieren. Man kann sich ein Merksystem zu Recht legen, wie: die erste wichtige Handlung verbinde ich mit dem Buchstaben A, die zweite mit B usw.

 

Bei den Protokollen ist es wichtig, jeweils an der rechten Seite einen Abstand zu halten, um die betreffenden Themen, die mir für meine Studie wichtig sind, festzuhalten. Auf Grund dieser Themen gestalte ich dann meine Arbeit, bzw., versuche ich meine weitere Forschung durchzuführen. Für gewöhnlich beende ich dann meine Forschungen, wenn sich die Themen wiederholen und ich davon überzeugt bin, dass ich nicht mehr viel Wesentliches beobachten kann. Der gesamte Forschungsprozess hat mit Interpretationen zu tun, die sich der Wirklichkeit lediglich annähern, denn jede Interpretation ist subjektiv, sie hängt von der Redlichkeit der Forschenden ab.

 

Auf Grund der gefundenen Themen wird schließlich meine Studie gegliedert. Damit diese auch spannend und profund ist, übernehme ich aus den Protokollen jeweils Szenen, die dem Leser einen guten Einblick in diese noch fremde Lebenswelt gewähren.

 

Ob man jede Zeile des Protokolls nummerieren soll, wie manche Autoren meinen, ist eine Sache des persönlichen Geschmacks. Ich für meine Person lehne solche Nummerierungen ab, denn sie verwirren bei den Interpretationen eher und es besteht auch die Gefahr, den Überblick zu verlieren.

Schwindel mit Protokollen

Ich bin mir sicher, dass es Leute gibt, die Protokolle für ihre wissenschaftliche Arbeit erfinden oder „stehlen“. Es ist oft schwierig festzustellen, ob der Autor die „Wahrheit“ tatsächlich wiedergegeben hat. Die Kontrolle der Arbeit liegt lediglich im Autor selbst. Schwindeleien sind daher möglich. Oft ist es reines Glück, wenn der Dozent oder der Professor auf die Schliche des Schwindlers kommt.

 

Ein Student von mir bat mich, ihn bei seiner Diplomarbeit zu betreuen, sie ging über Fußballfans. Ich übernahm die Betreuung. Als er mir die fertige Arbeit überreichte und ich sie durchsah, kam mir einiges sehr bekannt vor. Schließlich kam ich dahinter, dass der Student die wunderbare Studie über Fußballfans von Dr. Manfred Novak, die den Titel „Hooligans und Skinheads“ (Wien 1994) trägt, zum großen Teil abgeschrieben hat. Ich bat ihn nun, mir seine Protokolle zu zeigen. Nach ca. 2 Wochen erschien er bei mir mit seinen angeblichen Protokollen. Ich prüfte diese genau und kam zu dem Schluss, dass der gute Mann diese Protokolle erfunden bzw. „gestohlen“ hat, denn sie glichen ziemlich genau den Ausführungen des von mir geschätzten Kollegen Manfred Novak. Ich sagte dem Studenten schließlich, dass ich diese Arbeit nicht akzeptieren kann, denn sie beruhe auf einem großen Schwindel, den ich ihm auch nachweisen konnte. Damit war für mich die Sache erledigt.

 

Eine Zeit später erfuhr ich, dass dieser Schwindler meinen Kollegen Prof. Sch. aufgesucht und ihm erklärt hat, mit mir, der ich offensichtlich ein unmöglicher Mensch sei, könne er nicht zusammen arbeiten, er bitte ihn daher, ihn weiter zu betreuen. Herr Prof. Sch. übernahm nun die Betreuung der Arbeit. Vielleicht freute es ihn sogar, zu hören, dass ich ein Mensch bin, mit dem man nicht „zusammen arbeiten“ kann. Prof. Sch. kam nicht auf die Schwindeleien dieses Herrn und beurteilte die Diplomarbeit schließlich mit einer guten Note. Da ich zu spät von diesem Schwindel erfahren habe, unterließ ich es, den nun fertigen Magister wegen Erschleichung des Titels bei der Universitätsbehörde anzuzeigen. Ich wollte auch Prof. Sch. nicht kompromittieren.

 

Prof. Sch. ist einem Irrtum erlegen, der freilich jedem passieren kann. Daher ist es wichtig, Protokolle regelmäßig zu prüfen und mit den betreffenden Studenten zu besprechen.