Farbenstudenten

Buch Farbenstudenten
Buch Farbenstudenten

Text zur Einladung zur Buchpräsentation

Buchpräsentation

Roland Girtler

"Farbenstudenten zwischen Weltbürgertum und Antisemitismus" LIT - Verlag  

am Donnerstag, 11 Feb. 2016 18:30 im Jüdischen Museum, Dorotheergasse (1010 Wien)

Beim Hambacherfest (Juni 1832), das vor allem von Burschenschaftern und auch Corpsstudenten veranstaltet wurde, ging es um Einheit, Freiheit und Demokratie. Ehrengast war der im jüdischen Ghetto von Frankfurt a. M. geborene Ludwig Börne.

Als die Burschenschaft im Juni 1815 im Gasthof zur Tanne in Jena gegründet wurde, stand vor diesem der Baum der Jakobiner, das Symbol der französischen Revolution. Den freisinnigen Ideen der Burschenschaft entsprach, dass Juden den Burschenschaften angehörten. In seinem Buch arbeitet Roland Girtler heraus, dass antisemitische Tendenzen, die sich insbesondere ab den 1870er Jahren in Burschenschaften, Corps und anderen Studentenverbindungen sich zeigten, den weltbürgerlichen Ideen der Farbenstudenten widersprechen. Der Autor geht ebenso auf jüdische schlagende Farbenstudenten (Burschenschafter usw.) wie Theodor Herzl, Franz Boas, Egon Erwin Kisch und Lord George Weidenfeld ("Meine Wiener Verbindungszeit") ein. Er verweist aber auch auf jene Corpsstudenten, die 1944 sich im Widerstand befanden und dies mit ihrem Leben büßen mussten.    Eine besondere Sympathie hat der Autor für den aus einer jüdischen Familie stammenden Burschenschafter Franz Boas. Dieser forschte bei nordamerikanischen Indianern, er war ein bedeutender Kulturanthropologe.  Nach ihm ist ein Berg in Alaska benannt, er war Professor an der Columbia-Universität New York.  Geboren wurde Franz Boas in Minden, Westfalen.

Lockeres Studentenleben in Wien – Mitglied des Corps Symposion, einer schlagenden, farbentragenden Studentenverbindung

Im Herbst 1959 nach bestandener Matura zog ich nach Wien. Die erste Zeit führte ich ein lustiges Studentenleben. Mein Studium der Juristerei interessierte mich wenig. Ich war froh, den Zwängen der Klosterschule entkommen zu sein. Bald wurde ich Mitglied einer studentischen schlagenden Verbindung, der schon mein Vater und Großvater angehört haben. Es war dies das Corps Symposion, eine Farben tragende Verbindung, d.h. dass deren Mitglieder bunte Mützen und Bänder tragen.

 

Zum Thema der farbentragenden Studentenverbindungen habe ich einiges geschrieben, so auch das Buch „Farbenstudenten zwischen Antisemitismus und Weltbürgertum“, Wien 2016 - Das Buch ist meinem Freund Fritz Roubicek (1913 – 1990) widmet, der Mitglied einer jüdischen schlagenden Verbindung war. Er war einige Zeit in einem deutschen KZ. Das Vorwort zu diesem Buch schrieb der Generalsekretär des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich Raimund Fastenbauer. Meinem Freund Fritz Roubicek widme ich später ein eigenes Kapitel. Er war einer der liebenswürdigsten Menschen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Er war überzeugter Farbenstudent und trug stolz Band und Mütze seiner jüdisch-akademischen Verbindung Unitas (siehe dazu näher unten).

Das „Gaudeamus igitur“

Mit den Farben tragenden Studentenverbindungen ist eine spannende Kultur und eine alte Geschichte verbunden. Leider werden diese Verbindungen – es gibt bzw. gab liberale, katholische, deutschnationale, jüdische usw. - heute von Leuten, die wenig Ahnung von Studentengeschichte haben, samt und sonders verteufelt. – zu Unrecht. Daher gestatte ich mir ein paar Hinweise, um zu zeigen, dass das Farben tragende Studentenleben einen besonderen Zauber hat, der es wert ist, dass man ihn weiter trägt.

 

So zum Beispiel entstand das bekannte „Gaudeamus igitur“, das zur Universitätshymne wurde, vor dem Hintergrund des frühen farbenstudentischen Lebens. Gedichtet hat dieses Lied Christian Wilhelm Kindleben (1748 – 1785), der in Halle evangelische Theologie studiert hatte und ein flottes Leben führte. Über ihn heißt es, dass er als Liebhaber des ältesten Gewerbes und der klassischen Genussmittel mit 37 Jahren starb.

 

Diesem Lied liegen die schwermütigen Lieder der alten Vaganten, wie man die umherziehenden und oft wenig angesehenen Studenten nannte, zugrunde. Diese besangen ganz im Stile der Antike das fröhlich ernsthafte Beisammensein, die Liebe und den Wein, und sie riefen dazu auf, sich zu freuen, da das Leben kurz ist.     In einem Vaganten Bußlied von 1267 kommen bereits die Verse "Vita brevis, brevi finietur" und "Ubi sunt, qui ante nos in hoc mundo fuere" vor. Aus dem 16.Jahrhundert ist ein Frühlingslied "Gaudeamus igitur" bekannt.

 

In der jetzigen Form ist dieses Lied seit 1781 belegt, als der verbummelte Magister Christian Wilhelm Kindleben (1748 - 1785), das erste deutsche Stundentenliederbuch heraus brachte. Der schlechte Ruf, den Kindleben hatte, dürfte der Grund gewesen sein, sein Buch zu verbieten und ihn von der Universität Halle zu vertreiben.

Dies ist der lateinische Text samt deutscher Übersetzung des klassischen „Gaudeamus igitur“:

 

|: Gaudeamus igitur iuvenes dum sumus:|

post iucundam iuventutem, post molestam senectutem,

|: nos habebit humus! 

(Wir wollen also fröhlich sein, solange wir noch junge Leute sind.

Nach fröhlicher Jugend, nach beschwerlichem Alter wird uns die Erde haben.)

 

|: Ubi sunt qui ante nos in mundo fuere?:|

vadite ad superos transite ad inferos

|: ubi iam fuere.:|

(Wo sind jene, die vor uns auf der Welt gewesen sind?

Geht zu denen da oben, steigt hinunter zu denen da unten,

dort wo sie schon angekommen sind).

 

|: Vita nostra brevis est, brevi finietur,:|

venit mors velociter, rapit nos atrociter

|: nemini parcetur!:|

(Unser Leben ist kurz, in Kürze wird es vorüber sein,

der Tod kommt schnell, rafft uns grausam hinweg,

 niemand wird verschont werden.)

 

|: Vivat academia, vivant professores!:|

vivat membrum quodlibet, vivant membra quaelibet,

|: semper sint in flore!:|

(Es lebe die Akademie, es leben die Professoren,

es lebe jedes (Mit)Glied es leben alle (Mit)Glieder.

Sie sollen immer in Blüte stehen!)

 

|: Vivant omnes virgines faciles, formosae,:|

vivant et mulieres, tenerae, amabiles,

|: bonae, laboriosae:|

(Es leben alle Mädchen, die leichtlebigen und hübschen,

es leben auch die Frauen, die zarten, liebenswerten,

die guten und fleißigen.)

 

|: Pereat tristitia pereant osores:|

pereat diabolus quivis antiburschius

|: atque irrisores:|

(Nieder mit der Traurigkeit nieder mit den Hassern,

nieder mit dem Teufel, mit jedem Feind der Burschen

und mit allen Spöttern!)

 

Dieses "Gaudeamus igitur" ist geradezu ein Symbol für die alte und Nationen übergreifende Studentenkultur. So wurde um 1875 ein "Czernowitzer Gaudeamus" gesungen. Über Czernowitz fand das "Gaudeamus" Eingang in ganz Südosteuropa. In Rumänien wurde es zur Zeit des kommunistischen Systems sogar durch eine proletarische Strophe ergänzt:

"Vivat alma patria, novus ordo rerum!

Vivat proletaria vis, quae regit omnia,

vivant et primores!"

(Es lebe das nährende Vaterland, die neue Ordnung der Dinge!

Es lebe die proletarische Kraft, die alles beherrscht,

es leben auch die Führer!).

 

Als Gast der DDR - Friedrich Engels und der Kanarienvogel

Im Jahre 1986 war ich Gast der alten DDR. Die Einladung dorthin verdanke ich dem leider schon verstorbenen Professor für Urgeschichte an der Humboldt-Universität in Ost Berlin Heinz Grünert. Ihm sei hier in Ehren gedacht, Mit ihm besuchte ich u.a. die Wartburg, Jena und Weimar. In Ost-Berlin erwarb ich eine Schallplatte mit dem Titel „Gaudeamus igitur – Studentenlieder“. Auf dieser befinden sich eine Reihe der klassischen Studentenlieder, wie sie in den Burschenschaften und Corps seit jeher gesungen wurden. Die Interpreten, die diese Lieder auf der DDR- Schallplatte singen, waren vor allem Professoren der Charité, der Universitätsklinik in Ost-Berlin. Einige dieser Herren lernte ich persönlich kennen und bat sie um Autogramme auf dem Cover der Schallplatte.

 

In Jena kam ich in Kontakt mit dem Studentenhistoriker Günter Steiger, einem ungemein liebenswürdigen Herrn, der großes Interesse für die Geschichte der Burschenschaft und ihre Freiheitsideen hatte und auch über diese geschrieben hat. Er überreichte mir sein von ihm herausgebrachtes Büchlein „Gaudeamus igitur,. Historische Studentenlieder“ (Leipzig 1986) mit einer persönlichen Widmung von ihm.

Dieses in der alten DDR erschienene Büchlein fasziniert, denn in diesem finden sich ebenso die klassischen Studentenlieder.

 

Besonderes Interesse erweckt das abschließende Kapitel dieses Büchleins, es stammt von dem Kommunisten Walther Viktor, der vor dem Krieg vor den Nazis nach England geflohen war. Walther Viktor schreibt in seinem Beitrag, den er in England im Jahre 1937 verfasst hat, etwas Spannendes: “Vor mir liegt ein altes Buch: Das Liederbuch Friedrich Engels, eben jenes Mannes, der mit Karl Marx zusammen das wissenschaftliche Rüstzeug des Sozialismus geschaffen hat. Das Buch ist vergilbt, aber nur an einigen häufiger gebrauchten Stellen zerfledert, der feste Deckel hat einen Lederrücken und je vier metallene Knöpfe auf jeder Seite, um den Einband beim Aufliegen des Buches auf feuchten Tischen zu schonen. Es heißt: ‚Allgemeines Deutsches Commersbuch‘. Dieses alte Buch befand sich im Nachlass von Friedrich Engels. Es ist mir aus der Hand derjenigen Frau zugekommen, die die letzten fünf Lebensjahren, von 1890 bis 1895, um ihn war, ihn versorgt, mit ihm gearbeitet hat, der letzte Mensch seines vollen Vertrauens ist. Louise Freyberger berichtet dazu, dass sich das Buch nicht etwa wie manches andere unter seiner Hinterlassenschaft befunden habe, sondern versichert, dass es selbst für den gealterten Mann ein Gegenstand ständiger Freude und Benutzung gewesen sei. Hierzu muss der Vollständigkeit halber und weil es gar nichts zu bemänteln gibt, bemerkt werden, dass das Buch eine Reihe Handschriften mit feuchtseligen Bleistiftbemerkungen wie ‚Vivat Kneipe‘ aufweist.

 

Nun ist es nichts Neues, dass Friedrich Engels einem guten Tropfen zur rechten Stunde keineswegs abgeneigt war. Überdies wis­sen wir, dass er in seinen jungen Jahren auch hier und da recht kräftig eins über den Durst zu trinken verstand. Er war in dieser Hinsicht ein echter Deutscher, und er war es - wüssten wir‘s nicht ohnehin, so könnten wir es aus diesem Liederbuch erfahren! - auch sonst. Zum Beispiel was den Gesang angeht, den Engels über alle Maßen liebte. Er sang gern, laut und unsagbar falsch. Louise Freyberger erzählt zum Beispiel, dass er noch in seinen letzten Lebensjahren partout seinem Kanarienvogel, den er auf der Hand vor sich her trug, das ‚Gaudeamus igitur‘ beibringen wollte. Es gelang nicht, weil der Vogel musikalischer war als sein Lehrmeister, der auf den Instrumenten vieler Wis­senschaften und vor allem dem der Geschichte wohl glänzend zu musizieren wußte, aber kein einziges Lied richtig zusammenbrachte. . In diesem Kommersbuch finden sich die Lieder der alten rebellischen Burschen der jungen Avantgarde, die die Demütigung von 1849 noch nicht vergessen hatte. und so kann man recht wohl begreifen, mit welcher Wehmut und Leidenschaft der Emigrant Friedrich Engels an der Tischrunde in Manchester unter Gleichgesinnten, den in der Fremde lebenden Freunden, mitsang, wenn ein Cantus stieg. Das alte Buch, das vor mir liegt, ist ein beredter Zeuge. Engels, der sich zum ‚jungen Deutschland‘ bekannte und mancher studentischen Zecherei präsidierte, hat die Werte des Volksliedes zu schätzen gewusst ..‚ Schönes Lied ex est ..„ sagen die Studenten und heben den Becher. Trinken auch wir in Gedanken einen guten Schluck zu seinem Gedenken: dem Sänger, dem Kämpfer Engels!“

 

Der Emigrant und Kommunist Walther Viktor deutet also an, in welch hervorra­gender Tradition Engels hinsichtlich seiner vagantisch- studentisch-weltbürgerlichen Kultur stand – ganz im Stil der alten Burschenschaften und aller anderen Farbenstudenten.

Die Zimmerfrau Anna Zanibal – die Bassenawohnung

Die erste Zeit wohnte ich in Wien mit drei Oberösterreichern in einem Studentenheim, was mir ganz und gar nicht behagte. Mein Vater hatte mir über Freunde diesen Platz im Studentenheim besorgt. Eine Verbesserung gegenüber dem Schlafsaal in Kremsmünster war dies insofern, als ich im Kloster mit ca. 30 Burschen den Schlafsaal teilte, jetzt waren es nur mehr zwei, mit denen ich die Nächte verbrachte – wir waren also zu dritt. Dennoch war dies keine Freude für mich. Seit damals bin ich gerne allein. Ich verstehe bis heute nicht, wie es Leuten gefällt, in Wohngemeinschaften zu leben. Für mich gab es nichts Schöneres, als alleine in einem Zimmer wohnen. Daher suchte ich nach ca. 2 Semestern ein kleines Untermietzimmer für mich alleine.

 

Ich fand ein solches im 3. Bezirk in der Mohsgasse 23 in einem um 1900 erbauten Zinshaus bei einer alten Dame, Anna Zanibal hieß sie. Die Mohsgasse gehört zum Fasanviertel, welches seinen Namen dem früheren Bierlokal „Zum Fasandl“ verdankt. Die im Süden dieses Viertels gelegene Mohsgasse entstand um 1870. Dieses Haus, in dem ich bei Frau Zanibal wohnte, bestand durchwegs aus Bassenawohnungen, d.h., dass in den einzelnen kleinen, aus Zimmer, Küche und Kabinett bestehenden Wohnungen, es kein Fließwasser und keine Toilette gab. In einer solchen Bassenawohnung im 1. Stock wohnte ich von 1960 bis 1963.

 

Frau Zanibal wohnte und schlief im Zimmer an der Straßenseite. An dieses Zimmer schloß die Küche an, von der man aus auf den Gang gelangte. Gegenüber Eingangstür, rechts von der Küche, befand sich das schmale Kabinett, das ich bewohnte. Dieses bestand aus einem altmodischen Bett, über dem ein großes Bild mit der Mutter Gottes hing. Außerdem befand sich in dem Zimmer ein Tisch und ein Sessel. Der Tisch war mein Studiertisch. Das Fenster schaute in den Hof hinunter. Die Toilette war am Gang, ebenso der Wasserhahn samt Muschel, die Bassena.

 

Beides teilte man sich mit ein oder mehr Nachbarn. Man traf sich bei der Bassena um Wasser zu holen, das man für die Küche und die Leibswäsche benötigte, oder man ärgerte sich, wenn der oder die Nachbarin zulange auf der Toilette weilte. Als mich Frau Zanibal als neuen Untermieter aufnahm, verpflichtete sie mich, während des Winters die nötige Kohle vom Keller in die im 1. Stock gelegene Wohnung zu tragen.

 

Weiters verlangte sie, jeden Sonntag den Gottesdienst in der nahen Jacquinekirche zu besuchen und, wenn ich bei einer Prüfung durchkommen sollte, eine Messe in einem Kloster auf dem nahen Rennweg auf meine Kosten lesen zu lassen. Außerdem verbot sie Damenbesuche und die Verwendung von Radios. Die Fromme sorgte sich also für mein Seelenheil. Das Gekreisch aus dem Radio war ihr widerlich. Die gute Frau, sie war damals schon um die 82, führte also ein ruhiges Leben. Ein Fernseher wäre für sie die Hölle gewesen. Ich denke gerne an diese liebe und fromme Frau zurück. Der Himmel möge sie segnen.

Das Corps Symposion, Karl Landsteiner, Stephan Sedlmayer und Karl Kraus

Ich studierte damals auf Anraten meines Vaters Jus, ein Studium, das mir in keiner Weise behagte. Es gab Massenvorlesungen, die ich ohnehin die meiste Zeit schwänzte. Man bereitete sich auf die gefürchteten Staatsprüfungen durch Rechtskurse vor. Das damalige Jusstudium baute im Wesentlichen auf dem Grundsatz des Auswendiglernens auf. Das war mir eigentlich widerlich.

 

Wichtiger war mir, ein einigermaßen heiteres Studentenleben zu führen. Ich wurde daher Fux, wie man ein Jungmitglied einer farbentragenden Studentenverbindung nennt, des liberalen Corps Symposion, dem bereits mein Großvater und mein Vater angehörten. Ich führte also die Familientradition weiter. Bei diesem Corps handelt es sich um eine Mensuren schlagende, aber doch deutschnationale, im Sinne der Freiheitsideen des Jahres 1848, liberale Studentenverbindung. Zu deren Gründern zählten einige Herren aus jüdischen Familie. So stammt unser Farbenlied von Max Birkovits, einem Juden aus Sarajewo. Und gebadert (verarztet) hat bei den ersten Mensuren Karl Landsteiner, der später als Entdecker der Blutgruppen Weltruhm erlangen sollte und mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Als Jude mußte er aus Österreich emigrieren.

 

Zu den Ehrenmitgliedern des Corps zählt Stephan Sedlmayer, er war der Lateinlehrer jener Maturaklasse im Gymnasium in der Hegelgasse, die das Corps Symposion gründete. Stephan Sedlmayer war auch der Lateinlehrer von Karl Kraus, dem berühmten Herausgeber der kritischen Zeitschrift „Die Fackel“.

 

Karl Kraus war ein Meister der deutschen Sprache. Er hatte von 1884 bis 1892 das ehemalige Franz Josef-Gymnasium in der Wiener Hegelgasse besucht, in dem Sedlmayer Latein unterrichtete. Er war also zu der Zeit am Gymnasium, als jene Herren dort maturierten, es war im Jahre 1886, die das Corps Symposion gründeten. An einem Sonntagnachmittag des Frühjahrs 1887 soll der kleine Karl Kraus an Sedlmayers Tür geläutet und diesem gesagt haben, es täte ihm Leid, dass er so schwach in Deutsch wäre und ob er ihm einen Rat wüsste, seinen Stil zu verbessern. Sedlmayer beruhigte ihn und lieh ihm ein Buch. Geholfen hat er dem kleinen Karl Kraus jedoch mit seinem Lateinunterricht. In einem schönen Gedicht, einer Ode von Horaz, preist Karl Kraus in der von ihm herausgegeben Zeitschrift „Die Fackel“ vom Mai 1916 seinen Lehrer, dem er sein gutes Deutsch verdankt, weil er ihn Latein gelehrt hat. Überschrieben ist das Gedicht mit

„An einen alten Lehrer (Henricus Stephanus Sedlmayer)“. Es heißt in diesem unter anderem:

„Latein und Deutsch: du hast sie mir beigebracht. –

Doch dank ich Deutsch dir, weil ich Latein gelernt. –

Wie wurde deutsch mir, als ich deinen –

lieben Ovidius lesen konnte!“

 

In seinen weiteren Strophen verneigt sich Karl Kraus vor seinem alten Lehrer.

 

Ich besitze aus Sedlmayrs Nachlass einen so genannten Bierzipf, er ist ein Geschenk, welches das Corps Symposion seinem Ehrenmitglied Sedlmayr gemacht hat. Diesen Bierzipf habe ich zufällig bei einem Wiener Antiquitätenhändler erstanden.

 

An einer anderen Stelle schreibt Karl Kraus, dass er in seinem Leben nur zwei anständige Leute kennen gelernt habe, der eine wäre sein Lateinlehrer Stefan Sedlmayr gewesen. Für mich war es stets wichtig darauf hinzuweisen, dass die Tradition der farbentragenden Studentenverbindungen eine weltbürgerliche ist, die auf die alten Vaganten des Mittelalters zurückgeht. Rassismus und Faschismus widersprechen demnach den Grundideen der Studentenverbindungen. Leider geschah großes Unglück dadurch, dass rassistische und auch imperialistische Ideen in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts in vielen farbentragenden Verbindungen aufgenommen wurden. Allerdings besannen sich nicht wenige Farbenstudenten ihrer liberalen und menschenfreundlichen Ideen und wurden zu Gegner des Nationalsozialismus. Einige von ihnen, Corpsstudenten und Burschenschafter, wurden als Widerstandskämpfer von den Nazis hingerichtet (dies ist in meinem Buch über „Farbenstudenten“ nachzulesen). 

Das bewegte Leben als Farbenstudent und die schönste Frau des 7. Bezirks

Soweit ein paar Gedanken zu den farbenstudentischen Verbindungen, mit denen eine bunte und auch weltbürgerliche Geschichte verbunden ist.

 

Mein Leben als Farbenstudent war ein bewegtes, ich focht acht Mensuren und trieb mich in allerhand Lokalen herum. In einem, es war der „Apostelkeller“ erhielt ich sogar Lokalverbot, weil ich mit Freunden laut gesungen und mich ungebührlich aufgeführt haben soll.

 

Das Corps Symposion, in das ich als Student eintrat und in dem auch mein Bruder, mein Sohn und drei Neffen Mitglieder sind, war für mein Leben bestimmend, schließlich habe ich meine Frau, die für mich schönste Frau des 7. Wiener Gemeindebezirk, in diesem Corps kennen gelernt, und zwar bei einem Krampuskränzchen. Birgitt heißt die Dame.

 

Der Fortschritt in meinem Studium war mäßig. Ich bestand zwei juridische Staatsprüfungen. Nach der 2. heiratete ich. Mein künftiger Schwiegervater, ein edler Chirurg hatte vorher zu mir gesagt: „Ich nehme an, sie wollen meine Tochter heiraten“. Ich bejahte, bald war die Hochzeit und nicht lange danach war ich Vater (mein Sohn ist ebenso Corpsstudent, er ist orthopädischer Chirurg).

 

Meine Frau, mit der ich inzwischen 53 Jahre verheiratet bin, ist eine wunderbare Dame, der ich viel verdanke. Wir sind Urgroßeltern, haben acht Enkelkinder und zwei Urenkeln.

 

Ich habe also nach der 2. Staatsprüfung geheiratet. Alle Verwandten hofften nun, dass ich bald die 3. Staatsprüfung bewältigen und einen ordentlichen Beruf ergreifen würde, um die Familie erhalten zu können. Mein Sohn war bereits auf der Welt. Um meiner Familie eine Freude zu machen, lernte ich eifrig für die 3. Staatsprüfung. Doch dazu kam es Gottseidank nicht. Ein Unfall, den ich mit meinem Motorroller, den mir mein Vater geschenkt hatte, erlitt, veränderte mein Leben kolossal.