Abenteuer nach dem Erscheinen des Buches

1. Im Fernsehen – ein Club 2  über das Buch „Der Strich“

 Einige Monate nach Erscheinen des Buches veranstaltete das Österreichische Fernsehen aufgrund meiner Studie eine Diskussionsveranstaltung, die angeblich die bisher höchste Einschaltquote erreicht hat, die je eine solche Veranstaltung hatte.

 

Anwesend waren bedeutsame Leute: die berühmte Hamburger Prostituierte Domenica, die mich während der Diskussion einmal streichelte, ein intelligenter Zuhälter, eine Wiener Bardame, ein angeblicher Kunde, der jedoch bald von mir als Freund oder Zuhälter dieser Dame entlarvt worden war, ein entsetzter Theologiestudent und ich als Autor des Buches "Der Strich".

 

Es ging ziemlich wild bei dieser Diskussion zu. Jedenfalls eine bayerische Zeitung war angetan von dieser Diskussion und brachte einen heiter besinnlichen Bericht, der mit diesen Worten begann:

 

"Wie wird man(n) Zuhälter? Ex 'Strizzi' Peter Stolz betrieb im TV 'Club 2' zum Reizthema 'Leben am Strich' Berufsberatung auf Wienerisch: 'Scho meine Mama is am Strich gangen. Sie war halt a aufgschlossene Frau'. Eines Tages habe sie ihn gefragt: 'Gehst arbeitn, gehst stehln oder schickst aane am Strich?' Peter: 'Was is mir da scho übriggeblieben?'.

 

Und weiter hieß es: "Nachdem Ritter Roland (damit bin ich gemeint, d.Verf.) auch noch eine Lanze für das älteste Gewerbe der Welt brach, drückte ihm Couch-Nachbarin Domenica, die ihm vorher die kalte Schulter gezeigt hatte, dankbar die erfahrene Hand...“

Der erwähnte Zeitungsartikel
Der erwähnte Zeitungsartikel

2. Die VIP-Karte

Ein Besitzer von mehreren Bordellen war von meinem Buch über den Strich, in dem ich ihn ehrenvoll erwähnt habe, sehr angetan. Als ich ihn eines Tages in einem Wiener Kaffeehaus traf, erzählte er mir, er habe für seine Freunde goldene VIP-Karten, mit diesen bräuchten diese in den acht auf dieser Karte genannten Bordelle für Konsumation und ähnliches nur die Hälfte des Preises bezahlen.

 

Da ich jedoch ein besonderer Freund von ihm sei, überreichte er mir zu meiner Überraschung die Platin-VIP-Karte mit der Bemerkung, für mich sei in diesen Lokalen alles frei, ich müsse also nichts für Sekt und andere Sachen bezahlen. Meine VIP-Karte hat die Nummer 3, die Nummer 2 hat angeblich ein früherer Trainer der österreichischen Fußballnationalmannschaft. Ich war über die Karte sehr geehrt. Schließlich war diese Karte für mich ein Symbol dafür, dass meine Studie über den Strich von den Betroffenen, Dirnen und Zuhältern, als fair und ernsthaft empfunden wurde.

 

Hier und da statte ich einem der Bordelle mit Studentinnen und Studenten, aber auch mit Kollegen, einen Besuch ab. Da ich ein Freund des Herrn der Bordelle bin und eine Platin-VIP-Karte besitze, ist für mich und die mich Begleitenden die Konsumation mit Sekt usw. frei.

3. Das Abenteuer als Gerichtsgutachter für die Gaunersprache

 Als Forscher bei Dirnen und Zuhältern wird man schließlich als Spezialist gesehen. Auch Gerichte können sich für einen interessieren. So bewirkte meine Kenntnis der Gaunersprache etwas höchst Aufregendes und Abenteuerliches: Ich wurde von einem Gericht gebeten, ein Gutachten über einen Ausdruck der Gaunersprache zu verfassen.

 

Ein Wiener Bordellbesitzer war angeklagt worden, irgendwelche Männer zu einem Mord an einem Russen, der sich offensichtlich am Wiener Strich etablieren wollte, angestiftet zu haben. Er habe zu ihnen gesagt, sie sollen den Mann "umhacken", was die Polizei mit "erschießen" interpretierte. Der Bordellbesitzer meinte jedoch, „umhacken“ würde bloß heißen „vom Strich vertreiben“.

 

Der Russe wurde tatsächlich erschossen und der Herr Bordellbesitzer, den ich von meinen Forschungen persönlich kannte, kam hinter Gitter. In meinem Gutachten stellte ich nach nun bestem Wissen und Gewissen fest, dass "umhacken" nicht "töten" heiße, sondern "vertreiben" oder ähnliches.

Mein Gutachten wurde bei der Verhandlung vorgelesen, wobei der Richter meinte, er, der Bordellbesitzer, würde mich wahrscheinlich zu Separees mit Dirnen einladen, daher würde ich dieses für den Herrn Bordellbesitzer positive Gutachten geschrieben haben. Der Angeklagte erwiderte jedoch empört, dass "der Professor", also ich, nur aus wissenschaftlichen Gründen und oft mit Studenten zu ihm käme.

 

Diese Geschichte bestätigt auch, dass man als Forscher eine gewisse Distanz zu gewissen Sachen haben solle, um Ansehen bei den betreffenden Menschen zu haben. Hätte ich mich einmal auf eine Dirne eingelassen - mir wurden solche angeboten -, hätte ich wohl jedes Prestige als seriöser Wissenschaftler verloren. Und sicherlich hätte der Bordellbesitzer nicht derartig auf die Behauptung des Richters bezüglich meiner Person reagiert.

4. Der Bordellbesitzer in der Vorlesung

Feldforschung, wie ich sie verstehe, hat etwas mit Abenteuer zu tun. Abenteuer habe ich bei meinen verschiedenen Forschungen erlebt. Ein Abenteuer war es auch, als der erwähnte Bordellbesitzer auf meine Bitte hin in einer meiner Vorlesung zum Thema Randgruppen erschien. Er war in dunklem maßgeschneidertem Anzug mit weißem Hemd und Krawatte erschienen. Vor der Hörsaaltür wartete sein Leibwächter. Ich stelle den Mann den Damen und Herren Studenten vor und hielt fest, dass er ihnen Rede und Antwort auf ihre Fragen zum Thema Strich stehen würde. Der Mann nickte und sagte stolz etwas, das allen imponierte: “Ich kann mir den Luxus leisten, die Wahrheit zu sagen!“ Tatsächlich erzählte er auf Grund der Fragen Spannendes vom Leben auf dem Strich. Die Studentinnen und Studenten waren von ihm jedenfalls begeistert.

 

Noch ein anderer ehemaliger Bordellbesitzer trat in meinem Seminar auf, es ist dies Hansl Synek, über den ich in meinem Buch „Allerhand Leute“ (Böhlau, 2016) aufgrund von Gesprächen mit ihm, ein Kapitel schrieb.