Die Wildschützen und ihre alte Kultur

Bauernaufstände wegen des Verbotes der Jagd – Wilderer als Rebellen

Bei den Wildschützen haben wir es mit uraltem Rebellentum zu tun, das auch Peter Rosegger faszinierte, der die Wildschützen im Gebirge als wahre Freiherrn bezeichnete. Die Wildschützen, sie kamen durchwegs aus der bäuerlichen Kultur, waren echte Rebellen, also keine Revolutionäre in dem Sinne, dass sie großartige gesellschaftliche Ideologien von sich gaben, sondern sie wollten nur ihr Recht, nämlich in den Wäldern zu jagen, in deren Nähe sie als Bauern lebten.

Dieses Recht wurde ihnen von der Aristokratie schon sehr früh (um ca. 1000 n. Chr.) genommen, nach altem deutschen Recht jedoch hatte jeder freie Bauer das Recht, den Wald zu betreten und dem Wild nachzustellen. Darauf gehe ich in meinem Buch "Wilderer - Rebellen der Berge" (Böhlau, Wien 1998) ein, in dem auch ehrbare Wildschützen der Zeit bis in die 1960er Jahre zu Wort kommen.

Die Wildschützen haben also eine tausend Jahre alte Geschichte, eine Geschichte der Not und des Aufbegehrens gegen den Adel, der den Bauern zum Teil brutal ausbeutete, wie es in einem Gedicht von Gottfried August Bürger eindringlich beschrieben wird:

 

"Der Bauer an seinen Durchlauchtigen Tyrannen"

 

"Wer bist du, Fürst, daß ohne Scheu

Zerrollen mich dein Wagenrad,

Zerschlagen darf dein Roß?

 

Wer bist du, Fürst, daß in mein Fleisch

Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut

Darf Klau' und Rachen hau'n?

 

Wer bist du, daß, durch Saat und Forst,

Das Hurra deiner Jagd mich treibt,

Entatmet, wie das Wild? –

 

Die Saat, so deine Jagd zertritt,

Was Roß, und Hund, und Du verschlingst,

Das Brot, du Fürst, ist mein

 

Du Fürst hast nicht, bei Egg' und Pflug,

Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.

Mein, mein ist Fleiß und Brot! –

 

Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?

Gott spendet Segen aus; du raubst!

Du nicht von Gott, Tyrann!

 

Die Bauern litten also unter dem Jagdvergnügen der hohen Herrschaften, an dem sie nicht teilhaben durften. Die Bauern wurden also zu Rebellen und Wildschützen. Als solche waren sie die „Helden der kleinen Leute“ und genossen als Rebellen – ähnlich wie Robin Hood in England (auch er war ein Wildschütz), - hohes Ansehen.

In der Gestalt des Wildschützen, der zur bäuerlichen Ernährung viel beitrug, erwuchs im Gebirge eine ehrenvolle Heldenfigur, die bis in die letzte Zeit mystifiziert und romantisiert wurde und wird.

Bauern, die unter dem Wildschaden zu leiden hatten und zu Wilderern wurden, werden, wenn sie bei der verbotenen Jagd erwischt werden, brutal bestraft. Besonders verhasst bei den Bauern war Kaiser Maximilian. Es kommt zu den großen Bauernaufständen:

1525 in Tirol und vor allem in Schwaben, dann 1626 in Oberösterreich unter dem edlen Bauernführer Stefan Fadinger. Diese Aufstände werden mit aller Gewalt von Kaiser und Aristokratie niedergeschlagen. Erst 1848 erhält der Bauer das Jagdrecht, doch die Armut der Bauern gerade im Gebirge blieb. Frühere Aristokraten und reiche Bürger kaufen Bauerngüter und Almen von in Not geratenen Bauern wegen der Jagd auf. Das geht weit hinein in das 20. Jahrhundert. Wildschützen, die dem feinen Jagdherrn die Gams oder den Hirsch wegschossen, werden weiterhin von den „kleinen Leuten“ als Rebellen gesehen und in Liedern gefeiert, ebenso wie die Sennerin, die dem Wildschütz Unterkunft gewährt.

 

Im Gebirge blieb das Leben der Bauern, wie es auch Peter Rosegger schildert, ein oft karges. Fleisch, gab es nicht viel in den Bauernhütten. Man aß bescheiden einfache Speisen, wie zum Beispiel Brotsuppe, Erdäpfelnudeln und Hasenöhrl. Und daher waren die Bauersleute froh, wenn hier und da ein gewildertes Fleisch am Tisch lag.

Zu den Bauernburschen, die wilderten, gesellten sich nach den letzten Kriegen im Gebirge auch Arbeiter. Damals ging es den Leuten noch schlecht. So erzählte mir Frau Gertrud Voh, die in Ebensee am Traunsee aufwuchs, dass es unter den dortigen Arbeitern in der Saline und im Sodawerk einige kühne Wildschützen gegeben habe. Sie kann sich an einen Arbeiter erinnern, der in ihrer Nachbarschaft in einem Wohnhaus für mehrere Arbeiterfamilien mit Frau und Kindern wohnte und um 1950 als Wildschütz häufig unterwegs war. Wenn er in den Felsen pirschte, schaute seine Frau mit einem Feldstecher vom Küchenfenster aus ihm bei der verbotenen Jagd zu - in der Hoffnung auf einen guten Schuss auf eine Gams. Sah sie ihn mit einem vollen Binkerl, also mit einem vollen Rucksack, nach Hause kommen, so machte sie alles auf dem Herd für einen Gamsbraten bereit.

 

Unter den Arbeitern von Ebensee dürfte es viele Wilderer gegeben haben. Sie waren geradezu berühmt dafür. Es existiert ein Bild von einem Faschingsumszug in Ebenesee. Bei diesem sieht man eine Schar von jungen feschen Burschen, die ein Schild stolz vor sich her tragen, auf dem das Wort „Wildschützen“ prangt.

Die Wildschützen waren also wichtig in den Zeiten der Not im Gebirge.

 

Ich sprach auch mit einem Wildschützen aus Gegend um Trieben, er war ein einfacher Arbeiter. Viktor hieß er. Er erzählte mir, er habe in den Jagdgebieten des Stiftes Admont gewildert und sei damals sehr beliebt bei den Sennerinnen gewesen, da er sie alle mit gutem Wildfleisch versorgt hat. Man nannte ihn daher „Ernährungsminister“. An das Heiraten dachte er nie, da er als Wildschütz sehr umschwärmt war von den Damen.

Wie wichtig seine Tätigkeit für die Gesundheit einzelner Menschen war, zeigte sich unter anderem darin, dass seine Schwester, die eifrig das gewilderte Fleisch ihres Bruders aß, wie „Milch und Blut“ ausgesehen habe. Dies sei sogar einem Gendarmen aufgefallen, denn die anderen Kinder im Dorf machten einen eher mageren Eindruck. Der Gendarm verdächtigte Viktor deswegen des Wilderns, aber er konnte ihm nichts nachweisen.

Wildschützen gehörten also in Zeiten der Not zur Kultur der Armut im Gebirge. Ihr Ansehen bei der Bevölkerung war groß. 

Die Sympathie des spanischen Philosophen  Ortega y Gasset für die Wilderer

Der Wilderer flieht die Enge des Dorfes und wird zum Symbol der Freiheit und der Außeralltäglichkeit, er wird in Liedern und Wilderergeschichten verehrt

Sympathie für die echten Wilderer hatte der spanische Philosoph Ortega y Gasset.

In seinem Werk „Über die Jagd“ schreibt er:

 

"Der Wilderer ist ein entferntes Abbild des Steinzeitmenschen, er ist der von der Kultur berührte Steinzeitmensch... Sein häufiges Verweilen in den Gebirgseinsamkeiten hat wieder ein wenig die Instinkte ausgebildet, die beim Städter nur noch in Überresten vorhanden sind. Der Wilderer riecht immer ein wenig nach Raubtier, und sein Auge ist das des Fuchses, des Marders oder des Frettchens. Wenn der zivilisierte Jäger den Wilderer draußen am Werke sieht, entdeckt er, daß er selbst kein Jäger ist, daß er mit all seinen Anstrengungen und all seiner Begeisterung nicht in die solide Tiefe jagdlichen Wissens und Könnens eindringen kann, die den Reichtum des Wilderers ausmachen".

Soweit der spanische Philosoph.

Die Weidgerechtigkeit geht auf die Wildschützen und Erzherzog Johann zurück

Die Weidgerechtigkeit – die jagdliche Anständigkeit und das faire Verhalten dem Tier gegenüber – hat keine lange Tradition. Das Wort Weidgerechtigkeit wird das erste Mal Ende des 19. Jahrhunderts von dem österreichischen Jagdschriftsteller Ernst von Dombrowski verwendet.

Die früheren kaiserlichen und aristokratischen Jäger gingen höchst grausam mit dem Wild um. Kaiser Maximilian ließ das Wild durch Hunde hetzen und auch Kaiser Franz Josef bevorzugte bis etwa 1870 in seinem Leibgehege die Hetzjagd durch Hunde auf Hirsche. Der Jagderfolg der noblen Herren wurde an der Stückzahl bemessen. So soll der in Sarajewo erschossene Thronfolger Franz Ferdinand insgesamt weit über 200.000 Stück Wild erlegt haben.

 

Es waren echte Wildschützen aus der bäuerlichen Welt, die mit dem Einzelabschuss im Verborgenen zufrieden waren. Sie achteten darauf, dass das Wild im Feuer fiel, es also sofort erlegt wurde. Der Einzelabschuss bei den Wildschützen hat – aus begreiflichen Gründen - wohl eine lange Tradition.

 

Dieser noble einzelne Abschuss, wurde von Erzherzog Johann übernommen. Die Wildschützen und der Erzherzog sind somit als die Begründer der neuzeitlichen Jagdethik anzusehen. Er spricht einiges dafür, dass der Erzherzog sich als ein Freund der Gebirgsbauern am Verhalten der Wildschütze ausgerichtet hat.

Kämpfe zwischen Jägern und Wilderern

Folgende Geschichte aus dem Jahre 1891, die sich zwischen zwei Jägern und zwei Wilderern am Luchsboden bei Molln im heutigen Nationalpark Kalkalpen abspielte. zeigt gut die Dramatik auf,die sich ergab, wenn Wilderer auf herrschaftliche Jäger trafen. Die Wilderer als "Helden der kleinen Leute", hier handelt es sich um Holzknechte, die ohnehin ein karges Leben zu führen hatten, sahen sich geradezu berechtigt, in den Wäldern ihrer Heimat zu jagen. Die Jäger dagegen müssen im Sinne ihres Jagdherrn die Wilderer stellen. Die Kämpfe, die sich aus diesem Konflikt ergeben, waren bisweilen tödlich, wie in diesem Fall. Der Wilderer stirbt. Der Jäger, der den Wilderer umgebracht hat, wird schließlich bei Gericht frei gesprochen.

 

Am Sonntagvormittag, dem 6. Dezember 1891, sind der Revierförster vom Bodinggraben, Kaspar Hubmer, und der Forstadjunkt Josef Scharnreitner auf einem Dienstgang im Ebenforstgebiet unterwegs. Um etwa halb elf Uhr hören die beiden Jäger vom Luchsboden her kurz nacheinander zwei Schüsse, die offensichtlich von Wilderern herrühren. Sie passen ihnen in der sogenannten Luchsbodenleithen vor, wo bald einer der Wilderer in ihre Nähe kommt. Als er nur noch etwa zehn Schritte von ihnen entfernt ist, entdeckt er die versteckten Jäger und flüchtet. Der Forstadjunkt Scharnreitner läuft ihm sofort nach und erwischt ihn nach circa 140 Schritten. Der Wilderer, es handelt sich um den Holzknecht Ludwig Aschauer, wirft sein Gewehr weg und schlägt mit dem Bergstock auf den Adjunkten ein. Dieser pariert jedoch jeden Stoß und versetzt seinerseits dem Wilderer einen derartigen Hieb, dass er zu Boden geht. Um dem Wilderer die Hände zu binden, schneidet der Adjunkt mit seinem Messer die Hundeleine durch und wirft das Messer beiseite. Er beginnt, dem Wilderer die Hände zu fesseln.

 

Als der zweite Wilderer, es ist der Holzknecht Alexander Fahrngruber, die Situation erfasst, lehnt er sein Gewehr an einen Baum und eilt seinem Kameraden zu Hilfe. In diesem Moment kommt auch der Förster Hubmer zum Kampflatz. Mit den Worten „Übernehmen sie diesen, den anderen werde ich gleich haben!“ überlässt der Adjunkt den halb gebundenen Wilderer dem Förster Hubmer und wendet sich dem zweiten Wilderer zu. Der schlägt sofort mit dem Bergstock auf ihn ein. Wieder pariert er dessen Streiche. Da schleudert der Wilderer Fahrngruber seinen Bergstock weg, packt den Adjunkten mit beiden Händen und wirft ihn zu Boden. Dem Adjunkten gelingt es, den Fuß seines Widersachers zu erwischen und zwingt auch ihn zu Boden. Beide kommen in Bewegung und kollern zusammen 50 bis 60 Schritte den Abhang hinunter. Der Adjunkt kommt schließlich zufällig mit seinen Beinen zwischen zwei Steinen zu liegen und kann sich kaum mehr rühren. Der Wilderer Fahrngruber nutzt dies und holt mit seiner Hand zum Schlag aus. Der Adjunkt Scharnreitner kann den Fausthieb abfangen und die Hand festhalten. Er schreit dem Förster Hubmer zu: „Herr, ich bitte Ihnen, rennens mir den abi!“

 

Inzwischen hat der erste Wilderer Ludwig Aschauer den Förster am Hals gepackt, ihn schließlich zu Boden gerungen und sich auf ihn gekniet. Er sagt: „Wart’ Jäger, jetzt stech ich dich ab!“ Hubmer gelingt es, sein Messer zu ziehen. Er schneidet damit dem Wilderer ins linke Handgelenk. Der lässt nun los und ergreift die Flucht. Hubmer will ihm nachsetzten, hört aber jetzt den Hilferuf des Adjunkten. Er eilt herzu. Der Jäger versetzt dem Wilderer Fahrngruber mit seinem Bergstock einen Schlag auf den Kopf, der daraufhin zu Boden stürzt und 50 bis 60 Schritte den Berghang hinabkollert. Der Adjunkt Scharnreitner erhebt sich und eilt dem Wilderer nach. Er findet Fahrngruber an einer Fichte gelehnt. Dieser bittet ihn, ihm nichts mehr zu tun. Er lässt sich widerstandslos die Hände binden. Als sie gemeinsam den Berghang hinaufgehen, klagt der Wilderer, dass er einen Bruch habe. Die beiden Jäger glauben ihm anfänglich nicht. Auf nochmaliges Bitten untersucht ihn Scharnreitner und sieht nun an der linken Bauchseite eine offene Wunde, aus der ein faustgroßes, aufgeschlitztes Stück Darm heraushängt. Alexander Fahrngruber wird nun vom Jäger und dem Adjunkten auf eine aus Bergstöcken und Wettermänteln provisorisch gefertigte Trage gebettet. So versuchen sie ihn hinunterzutragen. Weil es aber sehr steil und eisig ist, müssen sie das bald wieder aufgeben. Dem Adjunkt Scharnreitner gelingt es, den Schwerverwundeten bis zur Ebenforst-Jagdhütte zu tragen.

 

Der herbeigerufene Mollner Arzt Hager kann nicht helfen, weil 25 bis 30 cm Darm aus der Bauchwunde herausragen und verletzt sind. Fahrngruber verstirbt am Mittwoch, 9. Dezember 1892.

 

Josef Scharnreitner zeigt am 7. und 8. Dezember 1891 die Sache in Windischgarsten an. Die Gerichte führen umfangreiche Recherchen zu diesem Fall durch. Der Förster Kaspar Hubmer muss deswegen insgesamt an elf Tagen bei Gericht erscheinen, der Adjunkt Josef Scharnreitner an zwölf.

 

Bei der Gerichtsverhandlung am 11. und 12. August 1892 versucht das Gericht in Steyr zu klären, wer dem Fahrngruber den Bauchstich zufügte, wann, wie und mit welchem Gegenstand.

 

Kaspar Hubmer und Josef Scharnreitner schreiben die Entstehung und Beibringung dieser Bauchwunde einem Zufall zu. Sie erklären sie so, dass Alexander Fahrngruber beim Hinabstürzen über den Abhang sich dieselbe durch sein eigenes im Rucksack verwahrtes Schneidmesser zufügte. Denn sie sahen dieses nach der Festnahme des Alexander Fahrngruber mit offener Klinge aus dessen Rucksack herausstehen. Der Gerichtsarzt hält in seiner Stellungnahme fest, dass die Bauchwunde höchst unwahrscheinlich auf diese Art entstanden ist. Schon wahrscheinlicher ist die Herbeiführung des Bauchstiches durch den Bergstock. Die Beschaffenheit der Wunde lässt aber schließen, dass sie mit einem spitzen, schneidenden Werkzeug (Messer) zugefügt wurde. Das Gericht sieht es schließlich als erwiesen an, dass die Verletzung durch einen Stich mit einem Messer zugefügt wurde. Da Josef Scharnreitner sein Messer beim Binden des ersten Wilderers weglegte, es also im kritischen Moment nicht zur Hand hatte (was auch Kaspar Hubmer bestätigt), scheidet er als Täter aus. Die Verletzung dürfte dem Fahrngruber unmittelbar nach dem Moment zugefügt worden sein, als Hubmer mit dem Bergstock auf den Fahrngruber zuschlug. Dies wird dadurch unterstützt, weil Fahrngruber bis kurz vorher noch die Offensive gegen Josef Scharnreitner einnahm, nachdem er aber über den Abhang kollerte, war er physisch und moralisch zu jedem Widerstand unfähig. Er ergriff nicht einmal die Flucht, was nach dem Stand der Dinge für ihn am natürlichsten gewesen wäre. Dazu kommen die Aussagen jener Zeugen, mit denen Alexander Fahrngruber noch vor seinem Tod sprach. Fahrngruber selbst bezeichnete den Herrn, also den Förster Kaspar Hubmer, als Täter. Er meinte, dass der Förster ihm diese Verletzung durch einen Stoß mit der langen Spitze des Bergstocks zufügte.

 

Ein anderer Zeuge gibt an, Fahrngruber hätte von einem Messer als Tatwerkzeug gesprochen. Auch Kaspar Hubmer gesteht zu, dass Fahrngruber in seiner Gegenwart diese Angaben machte. Zwei Zeugen berichten, sie hätten Fahrngruber daraufhin angesprochen, dass die Löcher in der Kleidung nicht von einem Bergstock herrühren. Fahrngruber hat darauf geantwortet: „Dann weiß ich es selber nicht.“ Gerichtsärzte, Hubmer und Scharnreitner geben an, dass Alexander Fahrngruber durch den Schlag mit dem Bergstock auf den Kopf so betäubt gewesen ist, dass er das Tatwerkzeug verwechselte und sich durch die Schnelligkeit der Tat täuschte. Auch zu Scharnreitner sagte Fahrngruber unmittelbar nach der Entdeckung der Bauchwunde: „Der Herr Hubmer hat es mir getan, mit dem Stecken, wie er mich von dir abi gerannt hat; es ist nicht anders möglich.

 

In Erwägung all dieser Umstände kommt das Gericht zur Überzeugung, dass Kaspar Hubmer, als er den Hilferuf des Scharnreitner vernahm, nicht bloß seinen Bergstock, sondern auch sein Schneidmesser, von dem er schon zur Abwehr des Aschauer Gebrauch machte, mitgenommen und auch gegen Fahrngruber einsetzte. Wenn auch Kaspar Hubmer die Tat in Ausübung gerechter Notwehr verübte, so kann sich das Gericht doch der vollen Überzeugung nicht verschließen, dass Hubmer dabei die Grenzen der nötigen Verteidigung überschritt. Scharnreitner selbst gab an, dass es dem Kaspar Hubmer ein leichtes gewesen wäre, den Fahrngruber durch Festhalten unschädlich zu machen. Der an Größe, Kraft und Geschicklichkeit überlegene Forstadjunkten Josef Scharnreitner hat Fahrngruber festgehalten. Es war die Anwendung von Waffen - gegen Kopf und Bauch, auf solche Weise, wie es geschehen ist - zweifellos unnötig. Deshalb erkennt das Gericht den Angeklagten Kaspar Hubmer des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 St. G. für schuldig. Hubmer wird zu 2 Monaten schweren Arrest, verschärft mit einem monatlichen Fasttag und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

 

Er legt dagegen Nichtigkeitsbeschwerde ein.

 

Der oberste Gerichtshof in Wien hebt dieses Urteil am 16. Dezember 1892 auf und spricht ihn frei, da er ja in Ausübung gerechter Notwehr handelte und weder für die weiteren direkten oder indirekten Folgen derselben verantwortlich gemacht werden kann.

Die "Wildererschlacht" in Molln vom 14. März 1919

Gedanken vorweg - die Tragödie von Molln

Die Wildererschlacht von Molln, über die im Folgenden erzählt werden soll, war eine Tragödie, also eine aufregende Geschichte, in der es um Wildschützen, die Helden der kleinen Leute, in Zeiten der Not ging.

Diese nahmen in verbotener Weise das Recht für sich in Anspruch, in den Wäldern des Grafen Lamberg Wild zu erlegen, um sich und andere mit Fleisch zu versorgen. Sie waren echte Rebellen, die nicht gewillt waren, die "normale" Rolle der Armut zu spielen. Sie lehnten sich gegen jene auf, die ihnen als Unterdrücker oder Ausbeuter erschienen. Sie setzten alles daran, gegenüber diesen ihre Freiheit und die der anderen zu erkämpfen, und zwar mit Mitteln, über die sie als Kinder der Armut verfügten, nämlich: mit Stärke, Mut, Schlauheit, Entschlossenheit und Treue gegenüber ihren Freunden. Aber auch der Tod ist den Rebellen gegenwärtig. So wurden vier der Mollner Wildschützen bei der Schießerei, die hier geschildert wird, getötet. Charakteristisch für tote Rebellen ist, dass ihnen durch Legenden, Gedichte, Lieder, Theaterstücke, Bücher und Gedenktafeln so etwas wie Unsterblichkeit verliehen wird.

 

Die Schilderungen über die Ereignisse in Molln erinnern in gewisser Weise an die alte griechische Tragödie, dem Theater der Antike. Im Wort Tragödie steckt übrigens das Wort "tragos", das soviel wie Bocksfell heißt, denn bei kultischen Umzügen im alten Griechenland wurde der Gott Dionysos, ein göttlicher Held, mit Bocksfell und Maske dargestellt. Die Tragödie ist demnach wörtlich ein "Bocksgesang".

Daraus entwickelte sich die  Tragödie - dies ist meine Deutung - als eine Erzählung über Helden, die Schweres zu erdulden hatten und an die fortan erinnert werden soll. 

 

Um Erkundigungen über die Wildschützen von Molln einzuholen, fuhr ich vor vielen Jahren einige Male mit dem Fahrrad von Spital am Pyhrn nach Molln, wo ich nicht nur meinen Freund Willi Girkinger aufsuchte, sondern auch den Heimatforscher F. Kirchner. Dieser hatte ein schönes Buch (F. Kirchner, Das Mollner Heimatbuch, Molln 1987) über die Geschichte Mollns in ihrer Vielfalt geschrieben. Ein großes Kapitel widmete er den Mollner Wildschützen in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Ich hatte mir das Buch in Wien bei dem Buchhändler Poxleitner, der aus Ramsau bei Molln stammte, besorgt. Ich bin Herrn Poxleitner dankbar, dass er mich auf dieses interessante und gut recherchierte Buch aufmerksam gemacht hat. Streckenweise beziehe ich mich in meinen Ausführungen darauf. Ich führte mit Herrn Kirchner anregende Gespräche über die Geschichte Mollns und die Schicksale der Mollner Wildschützen, die im März 1919 von Gendarmen brutal aus dem Leben gerissen wurden.

Der Beginn der Tragödie

Nach dem Ende des ersten Weltkrieges herrschte große Not in Österreich. Die von den Feindmächten verhängte Lebensmittel- und Ausfuhrblockade war aufrecht geblieben.  Die ehemaligen Soldaten kamen erschöpft und hungernd aus dem Krieg zurück. In Molln wurden einige dieser Heimkehrer zu Wildschützen, damit sie und andere überleben konnten. 

 

Speziell in Molln kam es zu einigen fatalen Ereignissen.

 

Am 17. Oktober 1918, also einige Wochen vor dem Ende des Krieges, wurde Johann Daxner, ein Förster des Grafen Lamberg, dem das Revier um Molln gehörte, erschossen aufgefunden. Der Mann war 56 Jahre alte und hatte zehn unversorgte Kinder. Er war als "braver und verlässlicher Mann" im Dienste der Herrschaft Lamberg tätig. Wer Daxner erschossen hat, weiß man nicht. Man vermutet, dass dies ein Wilderer gewesen sein könnte. Drei Monate später am 24. Jänner 1919 ereignete sich eine zweite Bluttat, nun auf der anderen Seite, nämlich der der Wilderer.

Zwei Forstbeamte, der Förster A. Knieling und der Forstadjunkt F. Lugner, hatten einen Wilderer gestellt. Als dieser zu flüchten versuchte, schoss der Forstadjunkt - obwohl ihm der Förster zugerufen hatte, nicht zu schießen - in den Rücken des Wilderers, den man als den Vinzenz Bloderer, einen Knecht aus der Ramsau, identifizierte.

Bloderer starb an einem Lungen- und Leberdurchschuss. Über diesen Vorfall schrieb die Zeitung "Wahrheit" am 26.1.1919 u.a.;

"Bloderer, der in vier Jahren des Krieges dem Feind oft Aug in Aug gegenüberstand, musste daheim auf so tragische Weise sein Leben lassen...". 

 

Beide Morde hatten in Molln die Gemüter erregt. Die Forstleute schimpften über die Wilderer und die Wilderer verfluchten die Forstleute des Lambergischen Reviers. Es ist verständlich, dass Förster und Jäger Angst vor den Wilderern hatten, da diese mitunter richtige Beutezüge in das Reichraminger Hintergebirge durchführten. Man erzählte sich, dass die Jäger Schleichwege benutzten, um nicht mit den Wilderern zusammen zu treffen, wenn sie glaubten, diese wären wieder einmal unterwegs. In den Gasthäusern von Molln und Umgebung führten die Wilderer das große Wort.

Da die Mollner Wildschützen sich ungehemmt in den Wäldern herum trieben und schossen, was sie so brauchten, beschloss die Obrigkeit, einige Mollner Wilderer festzunehmen.

 

Am 13. März 1919 kam es zur Verhaftung von fünf als Wilderern bekannten Burschen durch Mollner Gendarmen. Die fünf Burschen waren: Heinrich Huber, Franz Wieser, Roman Schiffer, Adolf Fedrizzi und August Steiner. Sie wurden von den Gendarmen in das Bezirksgericht in Grünburg gebracht, von wo sie am nächsten Tag in das Kreisgericht Steyr durch zwei Gendarmen mit dem Zug überstellt werden sollten. Bevor der Zug in Grünburg einfuhr, erhielt das Bezirksgericht in Grünburg ein Telegramm vom Gendarmerie- Kommando Molln, in dem stand, dass in diesem Zug als Wilderer bekannte Burschen in Molln zugestiegen seien.

Dieses Telegramm, das als Warnung gedacht war, wurde jedoch falsch gedeutet. Man dachte nämlich, dass in Molln noch weitere Wilderer verhaftet worden wären,  die nun auch nach Steyr überstellt werden. Dies war jedoch ein Irrtum. Als der Zug in Grünburg einfuhr und die beiden Gendarmen mit ihren fünf Gefangenen in diesen einsteigen wollten, sprangen zur Verwunderung der Gendarmen aus dem letzten Waggon Mollner Wilderer. Einige von ihnen packten die Gendarmen und entwaffneten sie, andere nahmen die gefesselten Kollegen in ihre Mitte. Die beiden Gendarmen ergriffen die Flucht. Ein paar Wilderer liefen zu einem der umliegenden Häuser, wo sie Zangen verlangten, mit denen sie die Ketten der Arrestanten lösten (P. Janisch, Gehst mir aufs Leben, Schütz ?, Traunkirchen 1980, S.1).

Der Höhepunkt der Tragödie - die Schlacht und die toten Wilderer

Singen und Scherze machend marschierten die Burschen, die Befreier und die Befreiten, zurück nach Molln, wo sie im Gasthof Dolleschal zukehrten. Inzwischen telefonierte man zwischen den Gendarmerie-Kommandos Molln und Grünburg.  Die Gendarmerieschule von Steyr wurde um Hilfe gebeten, um die Wilderer zur Raison zu bringen und sie zu inhaftieren.

Schließlich wurden junge Gendarmen in zwei Lastautos nach Molln gebracht, um an diesem Abend des 14. März 1919 jene Wilderer zu verhaften, die sich strafbar gemacht haben. Die beiden Lastautos wurden am Ortsrand abgestellt, gemeinsam mit den Gendarmen von Molln und Grünburg näherten sich die Gendarmen dem Gasthof Dolleschal. Mit 15 Gendarmen betrat der Gendarmeriemajor Dimmel die Wirtsstube. Es trat Stille ein. Der Major erklärte die an zwei Tischen beisammen sitzenden Wilderer für verhaftet. Er fügte hinzu, dass Widerstand zwecklos sei, denn das Gasthaus sei von 50 Gendarmen umstellt.

 

Der Wirt schrie, dass es von der Gendarmerie ungerecht sei, freie Bürger in seinem Gasthaus zu inhaftieren, schließlich lebe man in einer Republik. Jetzt erst erwachten die Wilderer  von der Überraschung. Schwere Wirtshaustische flogen um und Bierkrüge sausten in Richtung der Gendarmen. Die Wilderer stürzten sich auf die Gendarmen. Nun befahl der Major: "Waffengebrauch".

 

Der Wilderer Karl Zemsauer erlitt vom Grünburger Postenleiter Preisler einen tödlichen Bajonettstich. Preisler drückte zweimal ab. Zweimal feuerte auch der Gendarm Danninger. Der Wilderer Georg  Unterbrunner sank in die Brust getroffen leblos zu Boden. Die Wilderer bekämpften mit allem, was ihnen in die Hände bekam.  Der listige Wilderer GustlWolfbauer versteckte sich unbemerkt im großen Rohr des Backofens, der an diesem Tag nicht geheizt war. Am Ende gab es zahlreiche Schwer- und Leichtverletzte und drei Tote Wilderer.

 

Dem Major Dimmel wurde schließlich mitgeteilt, dass zwei Angehörige der Wildererbande fehlten: Wolfbauer Gust und Johann Eder vulgo Resch.

Wolfbauer Gust konnte nicht gefunden werden, er war im Rohr geblieben. Und Johann Eder war nach Hause marschiert, zum Haus Ramsau 129.

Dort stöberten ihn Gendarme auf, sie erklärten der Mutter, sie wollten den Sohn holen. Diese meinte, der Sohn würde in der Dachkammer schlafen. Nach dem Abzug der Gendarmen wurde Josef Eder mit durchstochener Brust tot in seinem Bett aufgefunden. Im Totenbuch der Pfarre Molln ist zu lesen: "Johann Eder, gestorben am 14. März  1919 um 11 Uhr nachts. Todesursache: Bajonettstiche in die Brust".

 

In derselben Nacht, in der Eder starb, wurden die lebenden Wilderer in das Kreisgericht Steyr eingeliefert. Vier Wilderer wurden wegen Verbrechens des Aufstands, begangen durch gewaltsame Befreiung von Gefangenen, und die übrigen wegen Wilddiebstahls angezeigt. 

Reaktionen auf die Tragödie

Das Geschehen um die Wildererschlacht hatte sich schnell in Oberösterreich herum gesprochen. Viele Arbeiter legten aus Protest gegen die "Behördenwillkür" die Arbeit nieder.  Und in der "Linzer Tagespost" vom 16.3. 1919 heißt es dazu:

"Die Erregung in Molln ist allgemein. Die hiesigen Industriebetriebe stehen heute (15.3.) still. Fortgesetzt kommen Gruppen in die Leichenhalle, um die toten Kameraden zu besichtigen.... In Molln sind Gendarmerieverstärkungen eingetroffen...".

 

Interessant sind die Ausführungen in der "Linzer Tagespost" vom 17. März 1919 unter der Überschrift; "Die Jagdrevolution in Molln":

"Die Bauernrevolution der einsamen Mollner Waldleute gegen das Jagdprivileg des großen adeligen Grundherrn rollt all die Probleme, die schon die Hirne unserer aufständischen bäuerlichen Vorfahren erfüllten, wieder auf... Der Vorwurf Jakob des Letzten (Rosegger) klingt an den Boden- und Landhunger unserer Grundherren an ... Der Bauer, leidenschaftlich wie die Naturgewalt der Berge, greift zum Stutzen ...".

 

Die Zeitungen in Oberösterreich sind voll mit Kritik am Vorgehen der Gendarmerie. Man sympathisierte mit den Wildschützen. Besonders deutlich zeigt sich die Abneigung gegenüber den Gendarmen. Als die an der Schießerei beteiligten Beamten ein paar Tage später in Steyr den Zug nach Linz besteigen wollten, um sich im Landesgendarmeriekommando zum Rapport zu melden, wurden sie beschimpft. Janisch beschreibt diese Szenen am Bahnhof so.

"Die Leute am Bahnsteig waren außer sich... Sie schrien und drohten mit den Fäusten ... Es wurden Steine geworfen. Major Dimmel, der als letzter ging, erhielt Fußtritte und Faustsschläge...".

 

Die Bevölkerung stand also auf der Seite der Wilderer. Symbolisch zeigt sich die Sympathie mit den Wilderern in einem von einem unbekannten Künstler bemalten Porzellanteller. Auf diesem Teller sind die Portraits und Namen der vier getöteten Wilderer zu sehen. Der Teller befindet sich im Besitz der Familie Dolleschal, der dereinst das Mollner Gasthof Dolleschall, in dem die geschilderte Schießerei stattfand und das es heut nicht mehr gibt, besessen hat. 

In unserem Wilderermuseum ist eine gute Fotografie dieses Tellers zu besichtigen. Den originalen Teller konnten wir leider nicht erwerben  (vielleicht findet er doch einmal den Weg in das Wilderermuseum).

Erinnerungsteller an die Wildererschlacht 1919 im früheren Gasthaus Dolleschal in Molln
Erinnerungsteller an die Wildererschlacht 1919 im früheren Gasthaus Dolleschal in Molln

Das rituelle Ende der Tragödie - das Begräbnis.

Die Tötung der vier Wilderer hatte die Bevölkerung in Molln und um Umgebung aufgebracht. Das Begräbnis dieser vier von Gendarmen getöteten Mollner Burschen wurde zu einer Demonstration der "kleinen Leute" gegen die Willkür der Behörde.

 

Am 17. März 1919 fand das Leichenbegängnis statt. Über 1500 Menschen gaben den vier Särgen, die am Kirchenplatz ausgesegnet wurden, das ehrende Geleit.

Der gewaltige Leichenzug wurde durch die Musikkapelle von Leonstein eröffnet. Dieser folgte eine große Schar weiß gekleideter Mädchen. Hinter den Särgen schritt eine Abteilung der Volkswehr aus Steyr, eine Vielzahl von Arbeitern aus Molln, Leonstein, Grünburg, Kirchdorf, Klaus, Windischgarsten und Spital am Pyhrn und die Angehörigen der Mollner Liedertafel.

 

Am offenen Grab sprachen Nationalrat Witzany, Arbeiterrat Wimmer aus Steyr, der Lehrer Kaun und andere. Als die Särge in die Erde versenkt wurden, ertönten 12 Böllerschüsse als Zeichen dafür, dass es sich bei den Toten um Kriegsheimkehrer handelt" (Linzer Tagespost, 19. März 1919)

 

Im Linzer "Tagblatt" vom 23. März 1919 ist ein sehr dramatischer, beinahe poetischer Bericht von diesem Begräbnis zu lesen:

"... Das Blut der Getöteten schreit auch gegen die Verantwortlichen bei der Landesregierung. Der Freiheits- und Gerechtigkeitsdrang unseres Bergvolkes, der in Liedern und Worten von den Vertretern des Bürgertums so gefeiert wird, wurde ohne Zaudern barbarisch unterdrückt, weil er sich gegen die Vergewaltigung durch einen Grafen Lamberg gerichtet hatte. Die Wildschützen in der Mollner Gegend sind keine Einbrecher und Diebe, und dass die Gendarmen zur Verfolgung der Diebe und Einbrecher keine Zeit gefunden hatten, ist auch damit zu begründen, weil sie das Wild und die Wälder des Grafen Lamberg hüten mussten. Am Dienstag wurden die vier Opfer zu Grabe getragen. Mitten in seinem Werden war der Frühling dem rauen Wetter unterlegen. Ein Zug mit vier Särgen nähert sich dem Friedhofe, und hinter den toten Kameraden schreiten leichenblass mit aufeinandergepressten Lippen die Lebenden. Nun kracht ein Böllerschuss. Von den Bergen rollt das Echo herab.

 

Der erste Sarg sinkt in das Grab. Und während sie hinunter gleiten in die kalte Erde, knallt von irgendwoher ein-, zwei-, dreimal scharf eine Büchse. Vielleicht hat ein Wildschütz - oder ein gräflicher Jäger - den Toten von einem weißen Berg herunter einen letzten Gruß gesandt. Scharf und kurz hallen es die Berg wider, gegen das furchtbare Unrecht, das im Namen des Gesetzes verübt werden konnte. Das Herz tat weh, die Kehle presste es zusammen. Die kühnen Männer, weiß wie Schnee im Gesicht, stehen am Erdhügel und weinen. Die Zähne beißen sie aufeinander, den Atem halten sie an. Als aber der dumpfe Ton der Särge aus dem Grabe hörbar wird, fließen ihnen Tränen über die wetterfesten Wangen."

 

Ein Foto von diesem Begräbnis schenkte mir Frau Anna Heidinger aus Molln. Eine Kopie dieses Fotos ist in unserem Wilderermuseum ausgestellt. Ich möchte an dieser Stelle Frau Haidinger meinen Dank aussprechen.

Ich halte dieses Foto, das hier zu sehen ist in Ehren!

Foto vom Begräbnis der getöteten Wilderer in Molln am 17. März 1919
Foto vom Begräbnis der getöteten Wilderer in Molln am 17. März 1919
Rückseite des Fotos vom Wildererbegräbnis vom März 1919
Rückseite des Fotos vom Wildererbegräbnis vom März 1919

Nachklänge der Tragödie - ein Theaterstück, ein Buch und das Wilderermuseum in St. Pankraz / Klaus

Die Tragödie um die vier Wilderer, die im März 1919 von Gendarmen getötet wurden, wurde schließlich zum Gegenstand eines Theaterstückes, in dem die begnadete und weitum bekannte Puppenspielerin Eva Bodingauer die "Wildererschlacht von Molln" höchst spannend dramatisiert hat. Dieses Stück wurde 1995 im Pfarrsaal von Kirchdorf an der Krems und im Gasthof Köhlerschmiede zu Molln mit großem Erfolg aufgeführt. Interessant an diesem Stück ist, dass die einzelnen Figuren aus alten bäuerlichen Geräten, wie Töpfen, Körben usw. hergestellt wurden. Diese Figuren trugen die Schauspieler, während sie ihre Texte sprachen oder ihre Aktionen durchführten, vor sich.

 

Diese Figuren sind im Wilderermuseum zu St. Pankraz- Klaus, an einem alten Bauerntisch sitzend, zu sehen. Außerdem ist in dem Museum dieses Wildererdrama auf einer Leinenrolle in Form von aufeinander folgenden Bildern dargestellt. Durch Drehen der Rolle können die Besucher des Wilderermuseums sehr anschaulich die ganze Dramatik der geschilderten Tragödie studieren. Diese Tragödie von der Mollner Wildererschlacht gesellt sich bestens zu den anderen Exponaten des Wilderermuseums, die einen hervorragenden Einblick in die Geschichte der alten ehrenwerten Wildschützen, die noch echte Rebellen waren, gewähren.

Ein Brief der Enkelin von Karl Zemsauer zu der Tragödie

Eine Zeit, nachdem mein Buch "Wilderer - Rebellen in den Bergen", in dem ich auch die Geschichte der Wildererschlacht von Molln dargestellt habe, erschienen ist, erhielt ich einen Brief von Frau Erika Mitterbaur, der Enkelin des getöteten Karl Zemsauer, in dem sie mir eine Kopie des Totenscheines schickte. Auf dem Totenschein ist zu lesen, dass Karl Zemsauer durch einen Bajonettstich im Bauch getötet worden ist. 

Die Dame schrieb mir auch, dass ihr Großvater kein Wilderer gewesen sei. Ich antwortete ihr, dass aufgrund meiner Unterlagen anzunehmen ist, dass auch Karl Zemsauer ein Wildschütz gewesen sein müsse. Sie sie schrieb mir darauf noch einen Brief, in dem sie festhielt, dass ihr Großvater wohl ein Wilderer gewesen sei, aber an diesem einen Tag, an dem man ihn getötet hat, sei er unschuldig gewesen (siehe Beilage). Der Brief von Frau Mitterbauer ist auch insofern interessant, als er einen Einblick in das Leben der früheren "kleinen Leute" im Gebirge gibt, die Sympathien für die Wilderer hatten, aber keine für die Jäger.

 

Brief von Erika Mitterbauer, der Enkelin Karl Zemsauers, in dem sie auf die Beziehung von Wildern und Not eingeht, aber auch auf ihren wildernden Großvater.