9. Hirtenbrief: Landler und Zigeuner in Rumänien

Die bunte Welt der Zigeuner

Landler in Rumänien

Kurzfassung des Buches von Roland Girtler „Die Landler in Rumänien“ (2.Aufl.), Wien 2013

Girtlers Streifzüge: Bei den Evangelischen in Ramsau am Dachstein - Die im Stadel versteckte Lutherbibel

Die Landler, bei denen ich in Rumänien forschte, sind Nachkommen von

evangelischen Oberösterreichern, Steirern und Kärntner, die im 18. Jahrhundert

wegen ihres Glaubens nach Siebenbürgen verbannt wurden. Es ist daher nicht

uninteressant gerade für Soziologen ein paar Hinweise zur Geschichte des

Protestantismus zu überdenken.

 

Ich war vor einiger Zeit in der evangelischen Gemeinde Ramsau am Dachstein

eingeladen, um etwas zu meinen Forschungen zu erzählen. Dazu habe ich dies

notiert: . Ich betrete die evangelische Kirche in der Mitte des Ortes. Heute findet hier

anlässlich des Lutherjahres – vor 500 Jahren (am 31.10.1517) schlug Luther

seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Tür zur Schlosskirche von

Wittenberg – eine Veranstaltung statt. Dr. Gerhard Kurzmann vom Kulturforum der

Steiermark lud die evangelische Pfarrerin, Frau Mag. Stock, den katholischen Pfarrer

Mag. Mag. Andreas Lechner und mich ein, um einiges über unseren persönlichen

Zugang zu Martin Luther, zu seinem Leben und seiner Religion zu erfahren.

Mit dem Thesenanschlag Luthers beginnt die Reformation, die Europa

durcheinander wirbelt und Kriege auslöst. Letztendlich eröffnete die Reformation

einen Schritt in die Freiheit – eine Loslösung von den Zwängen der damaligen

katholischen Kirche. Durch ganz Europa wurde der neue Glaube getragen bis

hinein in die Alpentäler und in die Ramsau. Bereits im 16. Jahrhundert wurde hier der

Funke der Reformation entfacht, nämlich durch sächsische Bergknappen, die in

den Schladminger Tauern arbeiteten. Sie brachten lutherische Schriften in diese

Gegend. 1525 kam es in Schladming zum Aufstand gegen den Salzburger

Fürstbischof, dem sich die Bauern anschlossen, denn sie wollten frei sein von

ihren kirchlichen und adeligen Grundherrn. Der Aufstand wurde im Sinne der

katholischen Habsburger niedergeschlagen und die Evangelischen wieder

„katholisch gemacht“. Es gelang aber nicht, das protestantische Leben hier

gänzlich auszulöschen, so auch nicht in der abgelegenen Ramsau, genauso nicht im

nahen Gosau auf der oberösterreichischen Seite des Dachsteins. Von Gosau

wurden weiterhin Luther-Bibeln in die Ramsau geschmuggelt. Diese Bibeln

kamen aus Deutschland durch Salzhändler nach Gosau, von wo sie auf dem so genannten Bibelsteig über die Berge hierher in die Ramsau geschmuggelt wurden.

Heimliche Andachten wurden in der Mayerhoferscheune und auf dem

Predigtstuhl abgehalten. Man versteckte die lutherischen Schriften. Erst mit dem

Toleranzpatent von Kaiser Josef II, von 1781 wurde die Ramsau zur ersten

österreichischen Toleranzgemeinde. Von 130 Familien, die damals hier lebten

waren 127 evangelischen Glaubens. In Ramsau wurde daher ein Bethaus

errichtet – eine Kirche war den Evangelischen damals untersagt. Typisch für dieses

Bethaus war, dass es keinen Turm haben durfte und keinen straßenseitigen

Eingang. Noch heute steht dieses Bethaus in Ramsau. In den Jahren1888 bis

1895 wurde die heutige evangelische Kirche erbaut.

 

Vor einigen Jahren hatte ich erfahren (damals, um 1992, war ich hier in Begleitung

von Prof. Gottfried Uray unterwegs, ihm sei dafür gedankt), dass es in der Ramsau

noch Bibeln gibt, die im 18. Jahrhundert eingeschmuggelt und vor den Schergen

der Maria Theresias versteckt wurden, zum Beispiel im Stall. Schließlich fuhr ich

mit dem Fahrrad wiederum hierher und lernte Matthias Knaus kennen. Dieser

erzählte mir, dass sich damals die evangelischen Bauern hier zwar nach außen hin

katholisch verhielten, damit sie keine Schwierigkeiten mit der Obrigkeit haben, aber

im Geheimen ihren evangelischen Glauben pflegten. Fanden die Schergen der

katholischen Herrscher zu der Zeit eine Lutherbibel, so wurde diese sofort

verbrannt und dem Besitzer zur Strafe eine Kuh – oft die Nahrungsgrundlage -

weggenommen. Da diese Kontrolleure meist nicht gut lesen konnten, waren sie auf

den Namen Luther dressiert. Da der Name Luther auf der ersten Seite der Bibel

stand, rissen die Bauern diese Seite aus dem Buch. So konnten einige Bibeln

gerettet werden. In Erinnerung daran geht Matthias Knaus mit seinen Freunden seit

1981 einmal im Jahr den Bibelsteig. Nach unserem Gespräch stand Matthias Knaus

auf und kam mit einer alten Lutherbibel zurück. Diese habe er in einem Stadel

versteckt gefunden. Er schlug die Bibel auf, die erste Seite fehlte.

Anzufügen ist, dass letztlich sich doch die Reformation positiv auch auf die

katholische Kirche ausgewirkt hat.

 

Ich wünsche der Frau Pfarrerein, dem Herrn Pfarrer, der Vizebürgermeisterin von

Ramsau und jenen, die unser Gespräch hier moderiert bzw. bereichert haben, aber

auch Prof. Gottfried Uray, der mich einmal hierher begleitet hat, das Beste und ziehe

weiter.

Evangelische Verbannte

Als vagabundierender Kulturwissenschafter fahre ich mit dem Zug nach Bad Goisern

am Hallstättersee. Am Bahnhof werde ich von Frau Mag. Renate Bauinger vom

Evangelischen Bildungswerk in Linz erwartet. Wir fahren zum Ortsteil Steeg und

betreten das alte Gasthaus Steegwirt, das auf eine 500 Jahre alte Geschicht

zurückblickt. Ich treffe hier auf Mitglieder der evangelischen Gemeinde von

Goisern. Ich habe die Ehre, vor Ihnen über altes Rebellentum zu sprechen. Vier

Musikanten spielen dazwischen Alm- und Wildererlieder, aber auch Lieder, die sich

auf die Schiffer beziehen, die auf Schiffen das wertvolle Hallstätter Salz auf der

Traun, die in Steeg den Hallstättersee verlässt und durch das Salzkammergut zur

Donau fließt, transportierten. Auf diesen Schiffen wurden aber auch gefangene

Goiserer, darunter Bauern, Salz- und Waldarbeiter, befördert, und zwar von

1734 bis 1737, die sich dafür eingesetzt hatten, ihren evangelischen Glauben,

der damals in den katholischen Landen der Habsburger verboten war, ausüben

zu dürfen und ihn nicht aufgeben wollten.

 

Zuvor jedoch hatten diese evangelischen Rebellen die Chance, nach Deutschland z.

B. in die Nähe von Ansbach auszuwandern. Die evangelischen Goiserer waren

hartnäckig, so z. B. versuchten sie 1712 den verhassten katholischen

Pfarrvikar Michael Melchior Aichhofer mit Gewalt aus Goisern zu vertreiben.

Sie warfen dem Pfarrer Habsucht, Geldgier und eine rüde Art vor. Der Pfarrvikar

behauptete dagegen, dass die Goiserer heimliche Ketzer seien, die lutherische

Schriften lesen würden und geheime Zusammenkünfte abhielten. Als ein

„Erzrebell“ wird dabei ein gewisser Josef Loidl genannt. Man hatte Angst vor der

Ausbreitung des protestantischen Glaubens und behauptete, man könne diese

Goiserer Protestanten nur mit Gewalt bekehren, außerdem wäre es besser, „wenn

diese Leute nicht lesen lernen würden, denn aus dem Bücherlesen ergebe sich

ihr Irrglaube“. Demnach sei es nicht ratsam, die Kinder im Lesen und Schreiben zu

unterrichten, damit sie u.a. nicht in der auf Deutsch geschriebenen Lutherbibel lesen

können . In lutherischen Büchern sah man die große Gefahr für den katholischen

Glauben. Man ging daher streng vor gegen die Evangelischen, so verbot man,

Evangelische auf dem „Freydhof“, also auf dem Goiserer Friedhof, zu begraben.

Jedenfalls die katholischen Herrschaften, allen vor an Kaiser Karl VI. sowie seine

Tochter Maria Theresia hatten Angst vor diesen rebellischen Goiserern und anderen

Sympathisanten des evangelischen Glaubens. Schließlich kam man auf die Idee, die

„Rädelsführer“ der evangelischen Goiserer von 1734 – 1737 mit Schiffen von

Steeg weit weg nach Siebenbürgen zu bringen.

 

Unter den Evangelischen aus Goisern, die auf diesen Schiffen gefangen waren,

befand sich auch der Schneidermeister Matthias Fischer aus Goisern. Er hatte

sich vor der Behörde als evangelisch bekannt, ebenso wie seine kleine Tochter. Der

Vater wurde sofort verhaftet und das Kind seinem Großvater mütterlicherseits

übergeben. Insgesamt waren es zunächst 259 Personen, die auf vier Schiffen

dicht gedrängt und unter militärischer Bewachung donauabwärts gebracht

wurden. Weiter ging es auf der Theiß und auf dem Begakanal bis Temesvar,

dann zu Fuß und mit Pferden nach Hermannstadt. Ein Transportkommandant

berichtete, dass er kein Wort des Schimpfens und Fluchens von den Gefangenen

gehört habe, sondern nur Gebete und fromme Lieder. Diesen ersten Deportationen

folgten weitere. Die Goiserer wurden vor allem in Neppendorf, das heute zu

Hermannstadt (Sibiu) gehört, angesiedelt. Bei meinen Besuchen in Neppendorf

stieß ich häufig auf Namen, die zu Goisern passen, wie Reisenauer, Liebhardt und

Stieger. Dem Sohn Maria Theresias Kaiser Josef II. gefielen offenbar die gegen die

Evangelischen gerichteten Aktivitäten seiner Mutter nicht, daher erließ er 1781 das

Toleranzpatent. Die evangelischen Goiserer, die als Geheimprotestanten überlebt

hatten, konnten nun offen in Goisern ihre lutherische Religion ausüben. Bei

Nachkommen dieser Leute befinde ich mich also nun. Die evangelischen Goiserer

sind auch stolz auf ihre nach Siebenbürgen verbannten Vorfahren. Im

„Landlermuseum“ von Goisern ist deren Geschichte spannend dargestellt. Ich

wünsche Frau Renate Bauinger und allen Evangelischen in Goisern das Beste und

ziehe weiter.

 

 

Die Seeklause in Steeg (Gemeinde Bad Goisern am Hallstättersee) ist ein zu

Beginn des 16. Jahrhunderts erbautes Stauwerk, mit dem der Wasserstand des

Hallstätter Sees reguliert werden kann. Die Seeklause gilt als das älteste technische

Denkmal des oberösterreichischen Salzkammerguts, das noch zu Beginn des

21. Jahrhunderts in Betrieb ist, steht samt Klauswärterhaus unter Denkmalschutz und

gehört zum UNESCO-Welterbegebiet Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut.

 

Bis zum Einbau der Steeger Seeklause in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

gestaltete sich die Verschiffung des Salzes auf der oberen Traun durch deren

unbeständige Wasserführung äußerst schwierig. Die Schifffahrt musste oft

ausgesetzt werden, wodurch der Salzvertrieb empfindlich gestört wurden.

Mit Hilfe der Klause wurde es möglich den Wasserstand der Traun zu regulieren und

sowohl für die Naufahrt (die Fahrt flussabwärts) der Salzzillen und die Holztrift als

auch für die Gegenzüge (die Fahrt flussaufwärts) die nötige Wassertiefe zu bieten.

Die an vielen Stellen mit 1511 angegebene Datierung des ersten Vorgängerbaus der

Seeklause konnte anhand primärer Quellen bisher noch nicht nachgewiesen werden.

Für das Jahr 1523 ist der Bestand der Seeklause belegt. Ein größerer Umbau, die

Erhöhung der Klause, erfolgte zwischen 1564 und 1573 unter der Leitung des

Hallstätter Holz-, Klaus-, Wühr- und Forstmeisters Thomas Seeauer (geb. um 1500,

gest. 1586/87), wodurch die bis heute erhaltene Form im Wesentlichen bestimmt

wurde. 2002 wurde ein automatisches Tor eingebaut.

 

1571 vom Salzfertiger Khappl als Einkehrgasthaus der Schiffsleute erbaut. Der Steegwirt liegt direkt am Hallstättersee mit einem einzigartigen Panoramablick. Gutbürgerliche österreichische Küche Seit 1571 steht das mächtige Wirtshaus an der Traunklause von Steeg, wo das Wasser des Hallstätter Sees einst aufgestaut wurde, um danach so freigelassen zu werden, dass die Salzschiffer mit ihrer Fracht auf einer wohldosierten Flutwelle über die gefürchteten Stromschnellen hinab bis nach Ebensee surfen konnten.

Evangelische Zigeuner in Siebenbürgen