Das Institut für Soziologie an der Universität Wien

in der Alserstraße 33

Im Frühjahr 1972 kehrte ich aus Indien nach Wien zurück. Ich wollte weiter als Kulturwissenschafter bzw. als Kultur- bzw. Rechtssoziologe tätig sein. Das war nicht so einfach, schließlich hatte ich eine kleine Familie, die außer mir aus meiner lieben Frau, einer wunderbaren Lehrerin, einem heiteren Buben und einem pfiffigen Mädchen bestand. Es galt, die Familie zumindest mit zu unterhalten.

 

Ich, der ich niemals in meinem Leben eine politische Protektion hatte, fand damals jedoch nette Leute, die Interesse an meinen Studien und meiner Art des Forschens hatten.

 

Zu diesen gehörten Professor Erich Bodzenta, damals Chef des Instituts für Soziologie in der Neutorgasse, das zur früheren philosophischen Fakultät gehörte – es gab zwei Soziologieinstitute - , sein Assistent Dr. Klaus Zapotocky – dann Professor in Linz, Professor Robert Reichardt, ein Herr, der als Österreicher mit der UNO zu tun hatte, und mein Freund der Privatgelehrte Ioannes Wohlmeyer, ein ungemein gebildeter Mensch, mit dem ich regelmäßig Vorträge und ähnliche Veranstaltungen, bei denen es großartige Buffets gab, besucht habe.

 

Sie alle haben irgendwie mitgewirkt, dass ich eine der beiden freien Assistentenstellen an der neu geschaffenen 3. Lehrkanzel in der Alserstraße, das damals noch zur juridischen Fakultät gehörte, erhielt. Chef der 3. Lehrkanzel war der neu nach Wien berufene, aus Hamburg stammende Professor Horst Jürgen Helle, der nichts dagegen hatte, dass ich einer seiner beiden Assistenten werde, der andere Assistent war Dr. Dieter Wenko.

 

Unsere Aufgabe war es, Einführungsseminare in die Soziologie zu halten. Dies war nicht allzu schwer, da diese Proseminare sich an der Hauptvorlesung von Professor Helle orientierten. Die Hauptvorlesung bestand vor allem darin, dass Herr Helle das kleine, nett geschriebene Büchlein „Einladung zur Soziologie“ von Peter Berger mit schönen Worten vorlas. So ging es zwei Semester dahin.

 

Mit linken Studenten gab es einige Reibereien, wie sie damals modern waren. Nach einem Jahr wurde Professor Helle an die Universität München berufen. Er lud uns Assistenten ein, ihm nach München zu folgen. Wir nahmen das Angebot an. Beinahe hätte ich meine Stelle an der Wiener Universität aufgegeben, doch meine gütige Frau Gemahlin riet mir, mich bloß karenzieren bzw. beurlauben zu lassen, damit ich wieder auf diese Wiener Stelle zurückkehren könne. Das war gut so. Der damalige Dekan Prof. Streißler unterstützte mein Vorhaben, er bekräftigte mich in diesem. Dafür bin ich ihm heute noch sehr dankbar. Ich blieb von 1973 bis 1975 in München, darüber wird später noch zu erzählen sein.

 

1975 kehrte ich wieder an das Institut für Soziologie in Wien zurück. Dieses Institut war bis 2002 in dem früheren Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“ im 8. Bezirk in der Alserstraße 33 untergebracht.

 

Bevor ich auf meine Erlebnisse in München eingehe, möchte ich über die Geschichte des alten Instituts für Soziologie und des Hauses, in dem es untergebracht ist, aber auch über Max Weber, der in der Nähe des späteren Instituts wohnte, erzählen.

Das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“ im Haus Alserstraße 33 - Erinnerungen an das alte Institut für Soziologie

Das Haus Alserstraße 33, in dem von 1971 bis 2002 das Institut für Soziologie der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien untergebracht war, war ursprünglich ein Gasthaus mit dem interessanten Namen „Zum Goldenen Hirschen“, das ich als junger Student häufig und gerne aufgesucht und in diesem ein Bier getrunken habe.

 

Es soll auch ein Stammlokal des Wiener Schauspielers Hans Moser gewesen sein. Ich bin mir sicher, dass der große Soziologe Max Weber, der 1918 in der gegenüber liegenden Pension Baltic wohnte, sich gerne in diesem gemütlichen Gasthof aufgehalten hat, um sich von seinen Vorlesungen zu erholen (Darauf deutet einiges in dem Buch von Marianne Weber hin). Ich denke mit Wehmut an diesen alten Gasthof „Zum Goldenen Hirschen“, der in einem schönen Altbau, einem lieblichen Biedermeierhaus sich befand.

Das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“, Alserstraße 33, zur Zeit Max Webers (der 2. Stock dürfte später dazu gekommen sein). Später war hier das Institut für Soziologie untergebracht
Das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“, Alserstraße 33, zur Zeit Max Webers (der 2. Stock dürfte später dazu gekommen sein). Später war hier das Institut für Soziologie untergebracht

1970 erwarb die „Studentenförderungsstiftung“ das Gebäude und stockte es durch eine graue dreistöckige Stahlbetonkonstruktion mit niederen Decken und kleinen Fenstern auf. In dieses nun scheußlich aussehende Haus wurden schließlich ein Studentenheim und das Institut für Soziologie, in dem ich die wichtigsten Jahre meines Lebens als Universitätsangehöriger verbracht habe, angesiedelt.

 

Aus dem alten prächtigen Gastsaal, in dem ich als Student um 1961 heitere Stunden verbracht habe, wurde der mit vielen Platten aus Resopal oder einem ähnlichen Material versehene, nicht gerade attraktive Hörsaal des Instituts.

Im Eingangsbereich des Hauses konnte man noch an den Wänden zerstörte Keramikkacheln mit kleinen ruinierten Keramikfiguren, die an das alte Gasthaus erinnerten, erkennen.

Dort, wo wahrscheinlich ein Extrazimmer des Gasthofes war, glänzte unsere Bibliothek, in der die ungemein tüchtige und liebe Frau Eliska Stadler residierte und gerne mit uns scherzte. Ihr sei für ihre liebenswürdige und großzügige Art besonders mir gegenüber herzlich gedankt. Herr Anton Amort, der Portier des Institutes, residierte gegenüber beim Stiegenaufgang in einer kleinen Kammer, er hatte Übersicht über die Vorbeigehenden und erfreute uns durch seine Künste als Kartenspieler. Im ersten Stock mit Blick auf den alten Gastgarten regierte der edle Herr Professor Leopold Rosenmayr. Im zweiten Stock hatte der liebenswürdige, früh verstorbene Herr Professor Robert Reichardt sein Reich.

 

In meinem Büchlein über Max Weber und das alte Institut gehe ich näher darauf ein, siehe auch Kap. 17: